© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Frisch gepresst

Richard Wagner. Ein Buch wie die Dissertation des Frankfurter Rechtsanwalts Rüdiger Jacobs, das im Titel den Namen Richard Wagners mit Staat und Politik verschweißt, scheint altvertraute Rezeptionsmuster zu bedienen. Doch das glatte Gegenteil erwartet den Leser. Nichts ist hier also mit dem politologischen Reduktionismus, der den Bayreuther Tonsetzer als „Propheten“, den „Volkskanzler“ von 1933 als dessen „Vollstrecker“ präsentiert (Joachim Köhler) oder, besonders zugkräftig, die Musikdramen Wagners als „antisemitische Fantasien“ (Marc Weiner) denunziert. Jacobs’ Arbeit, ein Meilenstein der Wagner-Forschung, entfernt sich weit von derartigen Plattheiten. In seiner „metapolitischen“ Perspektive leuchten stattdessen Richard Wagner und Karl Marx wie zwei Brüder im Geiste, die auf die „freie Gesellschaft“ zusteuern, in der allein die natürlichen Anlagen des „reinen Menschen“, seine „geistigen, sittlichen und körperlichen Fähigkeiten“ sich „vervollkommnen“ können. Daß sich nur von diesem Standpunkt aus, jenseits des ideologischen Feuilletonismus der Weiners und Köhlers, auch Wagners Haltung in der Judenfrage auf ein höheres Diskursniveau heben läßt, ergibt sich bei Jacobs wie von selbst, wenn auch das nähere Aufschlüsse versprechende Unterkapitel A IV in der Druckfassung geopfert wurde. (jr)

Rüdiger Jacobs: Revolutionsidee und Staatskritik in Richard Wagners Schriften. Perspektiven metapolitischen Denkens. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2010, broschiert, 461 Seiten, 39,80 Euro

 

Wander-Polen. Das vom Deutschen Polen-Institut herausgegebene Jahrbuch hat sich 2010 schwerpunktmäßig in etwa ein Dutzend Essays der polnischen Migration in die Länder der EU gewidmet. Obwohl sich Polen wirtschaftlich „auf einer rasanten Aufholjagd befindet“, wie die Redaktion voranstellt, haben sich viele Hunderttausende – nicht selten Angehörige der Ausbildungselite – in EU-Staaten aufgemacht, wo es ein lukrativeres Auskommen zu erwerben galt. Diese Wanderung ging nach 2004 vor allem nach Großbritannien und Irland, da es in dem bis dahin bevorzugten Sehnsuchtsziel jenseits von Oder und Neiße Einschränkungen bei der Freizügigkeit gibt. Mit dem Wegfall dieser Beschränkungen nach dem 1. Mai 2011 wird wohl wieder Deutschland das Auswanderland Nummer eins werden. (bä)

Deutsches Polen-Institut: Jahrbuch Polen 2010. Migration. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2010, broschiert, 223 Seiten,       11,80 Euro

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