© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Jerzy Gorzelik fordert Autonomie für Schlesien – und gewinnt an politischem Einfluß
Freiheit für Schlesien
Martin Schmidt

Sie wollen Schlesier sein: „Nie Polak, nie Niemic – Slazak!“ („Nicht Pole, nicht Deutscher – Schlesier!“) ist ihre Parole. Die schlesische Autonomie-Bewegung wächst. Nach der polnischen Kommunalwahl vom 21. November, bei der sie mit 8,5 Prozent (122.781 Stimmen) ihren Stimmanteil gegenüber 2006 fast verdoppelten, gehören sie nun erstmals in der Woiwodschaft Schlesien in einer Koalition mit der Bürgerplattform (PO) und der Bauernpartei (PSL) der Bezirksregierung an. 

Die Galionsfigur der bereits 1990 gegründeten „Bewegung für die Autonomie Schlesiens“ (RAS) ist der seit 2003 amtierende Parteichef Jerzy Gorzelik. Unter ihm sorgt die RAS zunehmend für frischen Wind in der jahrzehntelang anti-deutsch und polnisch-zentralistisch bestimmten Politik dieser mitteleuropäischen Region.

Der 1971 in Hindenburg geborene promovierte Kunsthistoriker verkörpert wie kein anderer den rund um Gleiwitz, Beuthen und Kattowitz verbreiteten Wunsch nach radikaler Dezentralisierung des polnischen Staates und weitgehender Eigenständigkeit Oberschlesiens. Denn, so Gorzelik im Interview mit dem Magazin Oberschlesien: „Autonome Regionen werden besser regiert.“

Als historisches Vorbild gilt der Sonderstatus der Woiwodschaft Schlesien in der Zwischenkriegszeit. Dieser bezog sich auf den nach 1918 – entgegen einer Volksabstimmung zugunsten Deutschlands – Polen zuerkannten Ostteil des Landes und wurde 1945 von den Kommunisten bewußt aufgegeben.

2010 sorgte in der Gebietshauptstadt Kattowitz zum vierten Mal ein „Autonomie-Marsch“ von mehr als tausend meist jungen RAS-Anhängern für Aufsehen. Ansonsten zeigt sich die Wut über die „Entmündigung der Regionen“ und die administrative Zerschneidung Oberschlesiens in die Woiwodschaften Schlesien und Oppeln vor allem an den bei allerlei Festen gezeigten gelb-blauen Landesfahnen, provokanten Transparenten und Sprechchören in Fußballstadien sowie im demonstrativen Gebrauch des oberschlesischen Dialekts. Dieser ist vom Polnischen abgeleitet, steckt jedoch voller Germanismen und schließt auch Elemente des Tschechischen ein.

Ein eher positives Deutschenbild und die Forderung nach voller Anerkennung der deutschen Volksgruppe in Oberschlesien als, so Gorzelik, „integralem Bestandteil unseres kulturellen Erbes“, sind für die aus alteingesessenen slawischen Familien stammenden Autonomisten selbstverständlich. Der RAS-Vorsitzende kritisiert zudem, daß die Vielsprachigkeit der Region, „die zerstört und zertreten wurde, leider keine Wiedergeburt erfahren hat“. Solche Positionen bringen ihn und die RAS immer wieder in Konflikt mit Warschau und Teilen der nach 1945 eingewanderten Bevölkerungsmehrheit.

www.autonomia.pl ; www.iaschlesien.org 

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