© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Heiter bis wolkig an Rhein und Ruhr
Nordrhein-Westfalen: Nach einem halben Jahr haben weder die neue rot-grüne Minderheitsregierung noch die Opposition richtig Tritt gefaßt
Ansgar Lange

Sind die Menschen an Rhein und Ruhr mit der neuen rot-grünen Landesregierung, die seit Juli 2010 im Amt ist, zufrieden? Auf den ersten Blick scheint dies so zu sein. Denn nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des WDR kommt die SPD auf 36 Prozent, genauso viel wie in der letzten NRW-Trend-Umfrage vom Juli 2010. Die CDU stagniert bei 32 Prozent. Die Grünen konnten leicht zulegen und erreichen aktuell rund 18 Prozent. Die Linke würde den Einzug in den Landtag mit fünf Prozent knapp schaffen. Die FDP wäre mit vier Prozent nicht mehr im Düsseldorfer Landtag vertreten.

Allerdings beurteilen die Wähler die Arbeit der Minderheitsregierung überwiegend negativ. So sind 50 Prozent weniger oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der neuen Landesregierung. 43 Prozent sind dagegen insgesamt zufrieden. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kann mit ihrer „kumpelhaften“ Art beim Wahlvolk punkten. 60 Prozent sind mit der Arbeit der Landesschefin zufrieden. Der neue CDU-Chef in NRW, Norbert Röttgen, kommt hier auf 41 Prozent. Mit der Arbeit der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann sind 29 Prozent einverstanden. Der neue FDP-Landeschef Daniel Bahr konnte sich bisher noch nicht profilieren.

Ein weiterer interessanter Befund: Nur 37 Prozent der Wähler wünschen sich, daß die Minderheitsregierung bis zum Ende der Amtszeit 2015 weitermachen sollte. Eine klare Mehrheit von 57 Prozent wünscht sich dagegen Neuwahlen. Hinter vorgehaltener Hand werden die meisten der 54 CDU-Kreisgeschäftsführer hoffen, daß der Kelch der Neuwahlen an ihnen vorbeigehen möge. Die Kassen sind nämlich leer, die Moral der „Truppe“ ist am Boden. Schon bei der vergangenen Landtagswahl gab es ein erhebliches Mobilisierungsproblem.

CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann schlägt sich wacker, während der neue Parteivorsitzende Norbert Röttgen und sein Generalsekretär Oliver Wittke noch keine Akzente setzen konnten. Vielleicht wirkt hier die Abnutzungsschlacht mit Armin Laschet um den Landesvorsitz noch nach. Und Jürgen Rüttgers rief den Zorn seiner Fraktion hervor, weil er bei der wichtigen Abstimmung über den Nachtragshaushalt lieber im sonnigen Rom als im verschneiten Düsseldorf weilte. Ob Rüttgers, der jüngst in den Aufsichtsrat einer Private Equity-Firma namens „CFC Industriebeteiligungen AG“ vorrückte, auf sein mit rund 10.000 Euro dotiertes Landtagsmandat verzichten wird, ist zweifelhaft.

Es trifft daher auch nicht zu, wenn in CDU-Pressemitteilungen zu lesen ist, Rot-Grün müsse alle Abstimmungen zunächst mit der Linkspartei klären. Der Abstimmungserfolg im Dezember zum Nachtragshaushalt war aus Sicht von Frau Kraft völlig ungefährdet, weil die CDU – Stichwort Abwesenheit von Rüttgers – mangelnde Disziplin offenbarte.

Ob die Warnung Wittkes, das Land steuere in Wahrheit auf eine informelle rot-rot-grüne Koalition zu, viele schrecken wird, muß mit einem Fragezeichen versehen werden. Prominente Christdemokraten beispielsweise aus überschuldeten Großstädten honorieren statt dessen, daß die neue Landesregierung beim Thema Kommunalfinanzen viel aufgeschlossener sei als die Vorgängerregierung. Allerdings sitzt bei der „Schuldenkönigin von NRW“, Hannelore Kraft, die „Kohle“ auch etwas lockerer, kritisieren die Liberalen. Während die schwarz-gelbe Koalition im Bund die Neuverschuldung senke, erhöhe die rot-grüne Minderheitsregierung sie in NRW um fast 30 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro. Für FDP-Generalsekretär Joachim Stamp steht daher fest: „NRW ignoriert so die Schuldenbremse und gibt statt dessen Schulden-Vollgas.“

CDU und FDP haben nun die Notbremse gegen den rot-grünen Nachtragshaushalt gezogen: Beide Oppositionsfraktionen wollen vor dem Landesverfassungsgericht Klage erheben. Vielleicht gelingt ihnen mit richterlicher Unterstützung das, wozu sie momentan mit politischer Arbeit nicht in der Lage sind: der Landesregierung die eigenen Grenzen aufzuzeigen.

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