© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Nachtigall im Laufrad
Wissenschaft: Forscher erschaffen die „Marathonmaus“ und entdecken die „Zwitschermaus“
Richard Stoltz

Zwei neue Forschungsknüller geistern zum Jahreswechsel durch die Wissenschaftsmagazine: In den USA wurde durch genetische Manipulation soeben die „Marathonmaus“ erschaffen, zur selben Zeit in Japan die „zwitschernde Maus“, die „Zwitschermaus“. Die Marathonmaus entstand als Folge eines genau geplanter Experiments, die Zwitschermaus dagegen eher zufällig, wie der Forschungsleiter Arikuni Uchimura freimütig einräumt. Man habe etwas ganz anderes im Sinne gehabt.

Ob aber nun geplant oder ungeplant – die Gen-Mäuse sind da und entfalten erstaunliche  Fähigkeiten. Die Marathonmaus ist in der Lage, doppelt so schnell und dreimal so lange im Laufrad zu rennen wie eine Normalmaus. Die zwitschernde Maus ihrerseits „singt wie eine Nachtigall“, teilt Professor Uchimura begeistert mit. Von der Marathonmaus erhoffen sich die Forscher Aufschlüsse für die Entwicklung neuer Präparate gegen Muskelschwund. Über den Nutzen der zwitschernden Maus besteht indessen noch Unklarheit.

Wie wäre es denn, fragt sich der interessierte Laie, wenn die Forscher die Marathonmaus mit der Zwitschermaus kreuzen würden? Man bekäme dann eventuell die zwitschernde Marathonmaus, welche bei ihrem Rennen im Laufrad wie eine Nachtigall singt oder wenigstens wie ein Sperling vor sich hin zwitschert. Der Effekt wäre hinreißend.

Und gar erst die möglichen Anwendungen im praktischen Menschenleben, beispielsweise bei Olympischen Spielen! Ein Medikament rückt in Reichweite, das die Marathonläufer nicht nur zu Höchstleistungen in Geschwindigkeit und Ausdauer antreibt, sondern sie gleichzeitig auch noch nachtigallenhaft singen und die Schönheit des Lebens lauthals preisen läßt. Das wäre dann der Höhepunkt des immer beliebter werdenden „Multitasking“, eine wahre Zwitschermaschine, wie sie Paul Klee nicht besser hätte malen können.

Leider steht wohl wieder einmal nationale Eifersüchtelei solchen prächtigen, den Fortschritt fördernden Aussichten im Wege. Professor Ushimura denkt nicht daran, seine Zwitschermaus „den Amerikanern auszuliefern“. Eher würde er sie von der Katze fressen lassen.

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