© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Blick in die Medien
Bitte nicht vorschnell über Ungarn urteilen
Ronald Gläser

Die Gutmenschen machen jetzt wegen Ungarn ein Faß auf. Am Montag schrieb die taz auf ihrer Titelseite in 23 Sprachen: „In Ungarn wurde die Pressefreiheit aufgehoben.“ Sie hat diese Alarmmeldung von dem früheren Sprachrohr der kommunistischen Partei Népszabadság, dem ungarischen Neuen Deutschland, übernommen. Ebenso wie diverse Politiker von Trittin bis Merkel, die die Ungarn jetzt verurteilen.

Die Neuregelungen sind ja auch  eine Zumutung. Aufsichtsbehörden für Medien sind so unnötig wie Warnhinweise auf Zigarettenschachteln oder Fußpilz. Und existenzbedrohende Strafen, weil nicht „ausgewogen“ berichtet wird – das widerspricht dem Grundsatz der Pressefreiheit.

Trotzdem liegen die übereifrigen Bedenkenträger falsch. Diese manipulationswütigen Vertreter der Heuchelindustrie tun so, als gäbe es alles nicht auch bei uns. Dabei existieren in Deutschland etliche Behörden, die etwas im Zusammenhang mit Medien regulieren: die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die Rundfunkräte, die GEZ, um nur einige Beispiele zu nennen. Es gibt den Straftatbestand „Volksverhetzung“, der einem Gummiparagraphen gleichkommt,  und – ganz wichtig in diesem Zusammenhang – die Landesmedienanstalten. Sie vergeben Frequenzen an Betreiber von Sendern. Voraussetzung dafür ist übrigens – genau! – ausgewogene Berichterstattung.

Wir müssen abwarten, was die neuen Gesetze für die Rechtswirklichkeit Ungarns bedeuten. Bislang hat die Behörde nur ein einziges Bußgeldverfahren eingeleitet und zwar wegen eines Rapliedes, das vor allem aus Wörtern wie „Nigger“, „Motherfucker“, „Gangster“ und „Blutbad“ besteht. Natürlich ist es falsch, Musik zu verbieten. Aber bei uns wird auch nicht jedes Lied im Radio gespielt, und Medien werden staatlicherseits überwacht. Der Westen sollte seinen erhobenen Zeigefinger steckenlassen.

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