© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Deutsche Futtermittel mit hochgiftigem Dioxin belastet
Fall ins Grenzenlose
Volker Kempf

Dioxin im Futterfett, die Grenzwerte wurden teilweise um das Hundertfache überschritten. Wochenlang blieb das unbemerkt. Dann wurden tausendfach bäuerliche Betriebe vorsorglich geschlossen. Der „chemische Fingerabdruck“ verweise auf ein Pilzgift aus Pflanzenschutz, hieß es am Montag. Es sei „skrupellos“ gehandelt worden, vermutete Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU).

Also liegt alles nur wieder an einzelnen Akteuren? Auch. Aber so viel Bio-Hühner können gar nicht gehalten werden, um den Bedarf an Eiern und Geflügelfleisch zu decken. Die billige Versorgung eines Millionenheeres von Verbrauchern bedingt Massenproduktion. Wer da was an wen liefert, durchschaut kaum noch jemand; wie es den Tieren geht, bleibt weithin im verborgenen. Der Preis soll günstig sein, der Wettbewerb das garantieren. Doch der Konkurrenzkampf nimmt längst kriminelle Züge an, das haben schon die „Gammelfleisch“-Skandale gezeigt.

Die EU mag grenzenlos sein, doch der Appetit auf das, was da über die unkontrollierten Grenzen rollt, vergeht den Verbrauchern. Der Fleischkonsum geht daher in Deutschland seit Jahren zurück. Das nützt am Ende nicht einmal den Fleischproduzenten selbst etwas. Nach so vielen Skandalen glaubt kaum jemand noch an nachhaltige Besserung, eher an leere Versprechungen.

Schön waren die Zeiten, in denen noch übersichtlich produziert wurde und der Produzent ein Gesicht zu verlieren hatte. Das gewährte ein Mindestmaß an Moral, auf das Vertrauen gründet, ohne das keine Wirtschaft auskommt, die florieren will, wie einst der Ökonom und Soziologe Wilhelm Röpke meinte. Doch genau hier ist der Fall ins Grenzenlose am weitesten vorangeschritten. Den moralischen Verfall gibt es, aber auch strukturelle Bedingungen, die die EU geschaffen und zu verantworten hat. Das gilt es in den Blick zu nehmen, nicht nur einzelne Sünder, da macht es sich Aigner sonst zu einfach.

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