© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Glasnost bei der Bank des Papstes
Vatikan: Benedikt XVI. erläßt Gesetz gegen Geldwäsche / Absolute Geheimhaltung bei der Vatikanbank endet / Reaktion auf Skandale und Druck der EU / Neue Finanzaufsicht für alle  Transaktionen
Paola Bernardi

Habemus bancam“, so titelte kürzlich die italienische Zeitung Il Foglio. Und in der Tat, die Einrichtung einer Zentralbank und Finanzaufsicht im Vatikan, die jetzt bekanntgegeben wurde, gleicht einer kleinen Sensation. Denn es war der Papst selbst, der in einem Apostolischen Schreiben (Motu Proprio) dem Kirchenstaat ein Gesetz zur Bekämpfung von Geldwäsche und illegaler Finanzierung auferlegt hat. So wie Benedikt XVI. in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres rigoros gegen den Kindesmißbrauch durch Kleriker durchgegriffen hat, so verordnete er am Ende dieses turbulenten Jahres auch dem Finanzgebaren des Vatikans die moralische Sauberkeit.

Mit dieser Einrichtung (Autorità di Informazione Finanziaria/AIF) und neuen Vorschriften zur Kontrolle aller Transaktionen will der Pontifex künftig jegliche neue Finanzskandale in seinem Kirchenstaat verhindern. Außerdem leistet der Vatikan so den Vereinbarungen mit der EU Folge, die für den weiteren Verkauf von Gedenkmünzen des Vatikans mit einen offiziellen Wert in Euro sowie für die Ausgabe von gewöhnlichen vatikanischen Euro-Münzen unter anderem diese Bedingungen gestellt hatte.

In einem Apostolischen Schreiben zur Begründung dieser Anordnung lobte der Papst den Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft gegen illegale Finanzgeschäfte. Mit der Einführung dieser neuen Bestimmungen paßt sich nun auch der Kirchenstaat den EU-Normen im Finanzbereich an. Das am 1. April in Kraft tretende EU-Dekret sieht bei Geldwäsche Haftstrafen bis zu zwölf Jahren und Geldbußen bis zu 15.000 Euro vor. Bei der Terrorismus-Finanzierung drohen sogar bis zu 15 Jahre Haft.

Die AIF, die künftig alle Geldströme im Vatikan überwachen wird, steht unter der Führung von Kurienkardinal Attilio Nicora. Der 73jährige Italiener ist seit 2002 Chef der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls und Vertrauensjurist des Papstes. Bei verdächtigen Geschäften wird die AIF auch mit den Kontrollinstanzen im Ausland kooperieren. Die neuen Gesetze enthalten Vorschriften über die Identifizierung von Geschäftspartnern, Vorschriften zur Aufbewahrung von Daten und Meldung von verdächtigen Geschäften.

Dies soll die Geldgeschäfte im Vatikan transparenter machen, so werde der Kirchenstaat weniger verletzlich sein, erklärte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi. Ziel ist es, daß der Vatikan auch auf der internationalen „White List“ all der Länder steht, die diesen Standard akzeptieren. Damit soll verhindert werden, daß künftig kein Verdacht auf den Vatikan fällt, wenn es wieder mal um illegale Finanztransaktionen geht. „Mit den neuen Vorschriften werden auch Fehler vermieden, die so leicht Anlaß von Skandalen werden können“, so Lombardi. „Die Kirche wird dadurch glaubwürdiger in der internationalen Gesellschaft und bei den Gläubigen.“

Ausdrücklich wird diesen neuen Vorschriften auch das legendäre Institut für die religiösen Werke (Istituto per le Opere di Religione/IOR) unterstellt – die Vatikanbank. Dies ist die eigentliche Sensation. Ist doch das IOR immer wieder Gegenstand von Ermittlungen und Spekulationen über anrüchige Geldgeschäfte gewesen. Die Gründung der Vatikanbank geht auf Papst Pius XII. zurück, der 1942 die Umwandlung der Verwaltung der Religiösen Werke (Amministrazione delle Opere di Religione/AOR) in das IOR anordnete. 1944 begann die äußerst erfolgreiche Banktätigkeit unter Leitung des vorherigen AOR-Chefs Bernardino Nogara.

Seit den siebziger Jahren war das IOR wegen diverser Skandale öfter in den Schlagzeilen. Dennoch blieb die Bank im Geflecht vatikanischer Finanzinstitutionen völlig unabhängig, Die dort hinterlegten Summen gehörten weder dem Heiligen Stuhl noch der Staatsverwaltung des Vatikan, „sondern den natürlichen und juristischen Personen, die solche Einlagen vorgenommen haben“, so die Sprachregelung. Das IOR war nie eine Staatsbank im üblichen Sinne. Sie bietet Verrechnungsverkehr, stellt internationale Verbindungen her, berät über Investitionen und fungiert auch als Handelsbank. Dabei unterliegt die Arbeit des IOR weder den italienischen Währungs- noch Devisenausfuhrbeschränkungen. Die Geschäfte des IOR wurden bisher unter absoluter Geheimhaltung abgewickelt. Das Institut war keiner anderen Institution innerhalb der Kurie rechenschaftspflichtig.

Während EU-Banken unter Aufsicht von nationalen Behörden und Notenbanken stehen, war die Vatikanbank bisher frei von dieser Kontrolle. Dadurch kam sie auch in den Verruf, daß so mancher Unternehmer mit einem IOR-Konto seine Steuerpflicht umgehen könne, was schließlich die italienische Justiz auf den Plan rief. Die Staatsanwaltschaft in Rom beschlagnahmte insgesamt 23 Millionen Euro, welche das IOR auf Konten von italienischen Banken deponiert hatte und weiterüberweisen wollte.

Da die Vatikanbank bisher keine Angaben über die Begünstigten machte, bleiben die Gelder beschlagnahmt. Zugleich laufen Ermittlungen gegen IOR-Chef Ettore Gotti Tedeschi und seinen Generaldirektor Paolo Cipriani. Beide bestreiten Vorwürfe, Geldtransaktionen ohne Identifikation von Absender und Empfänger durchgeführt zu haben. Solange diese Vorwürfe nicht geklärt sind, muß der Vatikan zumindest auf diese Millionen verzichten.

 

Die Vatikanbank (IOR)

Als Italien 1941 den USA den Krieg erklärte, geriet der internationale Kapitalfluß der katholischen Orden ins Stocken, da diese ihr Geld bei italienischen Banken angelegt hatten. Quasi als Bankersatz wurde von Papst Pius XII. das Institut für die religiösen Werke (IOR) gegründet. 1971 ernannte Paul VI. dann seinen früheren Leibwächter, den aus einer litauischen Familie stammenden US-Erzbischof Paul Casimir Marcinkus, zum IOR-Chef. In dessen Amtszeit fiel der Zusammenbruch eines Bankenkonsortiums um den mutmaßlichen Mafioso Michele Sindona. Auch in den Skandal um die Mailänder Banco Ambrosiano (die in illegalen Geschäften erfahrene Bank hatte Vatikan-Gelder an die polnische Solidarność tranferiert) war das IOR verwickelt. Der Vatikan muß 240 Millionen Dollar Entschädigung zahlen, Marcinkus tritt 1989 in den Ruhestand. 1990 reformiert Johannes Paul II. das IOR.  Im Zuge der Finanzkrise gerät der Vatikan 2009 erneut in den Ruf einer „Finanzoase“. Benedikt XVI. ernennt daraufhin den italienischen Bankier und Ethik-Professor Ettore Gotti Tedeschi zum Leiter des IOR.

Foto: Blick aus dem Vatikan auf Rom: Die Vatikanbank steht erneut im Visier der italienischen Justizbehörden

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