© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Lockerungsübungen
Das große Glück
Karl Heinzen

Am Ende dieses mit Wahlen reich gesegneten Jahres könnte das Ergebnis stehen, daß die Bürger weiterer Bundesländer von rot-roten Mehrheiten regiert werden. Der Besinnungsaufsatz, den Gesine Lötzsch, eine der beiden Vorsitzenden der Linken, in der Jungen Welt veröffentlicht hat, läßt dieses Szenario jedoch ein klein wenig unwahrscheinlicher erscheinen. Ihr jungmädchenhaftes Schwärmen von neuen Wegen zum „Kommunismus“, die man doch einfach einmal ausprobieren sollte, ist von allen, die der SPD das Liebäugeln mit dem Partner zur Linken vergällen wollen, dankbar aufgegriffen worden. Also doch: Die Linke gibt selber zu, daß der Staat, der sich mit ihr machen läßt, nicht jener des Grundgesetzes ist.

Gleichwohl bieten die Auslassungen von Gesine Lötzsch, wenn man sie denn ganz liest, keinen Anlaß für antikommunistische Empörung. Empört müssen vielmehr jene sein, die sich noch heute als Parteigänger des Kommunismus begreifen und eine klare Vorstellung davon besitzen, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Gerade dies kann man Gesine Lötzsch leider nicht attestieren. Kommunismus bedeutet für sie nicht mehr als die Umschreibung des großen Glücks, das hinter der Endzeit der herannahenden Gesellschaftskrisen liegen könnte. Diese Hoffnung ist rührend, aber kein Beitrag zu einer Programmdebatte, in der sich ihre Partei angeblich befindet.

Vielleicht wäre Rosa Luxemburg dann freiwillig in den Landwehrkanal gesprungen.

Die Desorientierung von Gesine Lötzsch hat ihren Grund aber nicht in dem klassischen Problem, die große Theorie und das Kleinklein der politisch-parlamentarischen Praxis unter einen Hut zu bringen, sondern in der in ihrem Aufsatz beschworenen Ikone der Linken: Rosa Luxemburg mag man vieles zugute halten, aber nicht, daß sie Ordnung in ihre Gedanken gebracht gehabt hätte und ihre Geistesblitze widerspruchsfrei gewesen wären. Wer ihr Erbe antritt, muß die Konsequenzen tragen.

Allerdings schreckt Gesine Lötzsch auch ihr gegenüber vor intellektueller Gewaltanwendung nicht zurück: „Wenn Kommunismus das Gemeinschaftliche betont und der Liberalismus den einzelnen, dann wollte Rosa Luxemburg beides zugleich.“ So einfach lassen sich Antipoden also versöhnen. Hätte Rosa Luxemburg derartiges lesen müssen, wäre sie vielleicht freiwillig in den Landwehrkanal gesprungen.

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