© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Zeitschriftenkritik: Geschichte & Wissen kompakt erklärt
Historische Weichenstellungen
Werner Olles

In der Auseinandersetzung zwischen Staat und römisch-katholischer Kirche in den 1870er Jahren ging es weniger um Glaubensinhalte als um die Machtfrage: Gehorchen die katholischen Bürger dem Papst oder der deutschen Obrigkeit? Doch die scharfen Maßnahmen forderten massiven Widerstand heraus, so daß Kanzler Bismarck, ein gläubiger Protestant pietistischer Prägung, der die päpstlichen Anweisungen als Einmischung der Kirche in staatliche Angelegenheiten und als direkte Einflußnahme eines ausländischen Herrschers auf die Loyalität deutscher und preußischer Staatsbürger interpretierte, einlenken und sich mit dem neuen Papst Leo XIII. verständigen mußte.

In der aktuellen Ausgabe (Januar/Februar 2011) von Geschichte & Wissen kompakt erklärt schildert der Beitrag „Bismarck gegen den Papst“ anschaulich wie der „Kulturkampf“ – die Bezeichnung geht auf den Mediziner und liberalen Abgeordneten Rudolf Virchow zurück – das junge Deutsche Kaiserreich nachhaltig erschütterte. Es kam schließlich zum „Kanzelparagraphen“, der den Priestern verbot, sich von der Kanzel herab kritisch zu Staatsangelegenheiten zu äußern, im März 1872 zum Schulaufsichtsgesetz, im Juli 1872 zum Verbot des Jesuitenordens und weiterer katholischer Ordensgemeinschaften und 1874 zur Erleichterung des Kirchenaustritts und zur gesetzlich angeordneten Zivilehe. Als jedoch das katholische Zentrum bei den Reichstagswahlen im gleichen Jahr seinen Stimmenanteil auf 28 Prozent steigern konnte, war auch Bismarck klar, daß er einlenken mußte. Nach der Wahl von Leo XIII. als Nachfolger von Papst Pius IX. brach er daher 1878 den „Kulturkampf“ ab. Zentrum und Katholische Kirche hatten den Angriff des Staates erfolgreich abgewehrt. Doch blieben einzelne Gesetze wie beispielsweise das Jesuitengesetz noch bis 1917 und der „Kanzelparagraph“ bis 1953 in Kraft. Die obligatorische Zivilehe und der erleichterte Kirchenaustritt sind heute noch gültig. Unterhalb der staatlichen Ebene – so in Wissenschaft und Kunst – wurde der „Kulturkampf“ auch nach dem Einlenken des „Eisernen Kanzlers“ sogar noch forciert.

Als „Aufbruch in die Moderne“ beschreibt der Schwerpunktbeitrag die Große Französische Revolution 1789 bis 1799. Basierend auf den Ideen der Aufklärung, der Propaganda des Freimaurertums und den Machtinstinkten des kriminellen Geisteskranken de Sade und des masochistischen Neurotikers Jean-Jacques Rousseau veränderten die tiefgreifenden und blutigen Vorkommnisse in Frankreich das Bild Europas grundlegend. In Frankreich selbst hob ein Mordrausch ohnegleichen an, bei dem unbotmäßige Städte wie Toulon, Lyon und Bordeaux, die sich gegen die Jakobiner erhoben, zum Teil dem Erdboden gleichgemacht wurden und in der Bretagne und in der Vendée royalistisch und katholisch gesinnte Bauern niedergeworfen und anschließend in einem gewollten Völkermord, den Robbespierre ausdrücklich als „Ausfluß der Tugend und Konsequenz des demokratischen Prinzips“ lobte, vernichtet wurden.

Kontakt: Pabel-Moewig Verlag, Gronewaldstr. 2, 50931 Köln. Das Einzelheft kostet 3,60 Euro.  www.geschichte-und-wissen.de

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