© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Gottspieler im Hobbyraum
Dank synthetischer Biologie hantiert eine wachsende „Bastlerszene“ mit den Bausteinen des Lebens
Michael Howanietz

Der Verein Testbiotech warnt vor synthetischen Organismen, die zur Herstellung moderner Kraftstoffe verwendet werden und beklagt diesbezüglich fehlende Risikoforschung. Die Auswirkungen der sogenannten Synthi-Fuels auf Mensch und Umwelt seien gänzlich unbekannt. Gerade ihnen soll aber geholfen werden, glaubt man den Protagonisten, die mit den in frühen Entwicklungsstadien befindlichen Werkzeugen der synthetischen Genetik Menschen heilen, Gewässer reinigen und ausgelaugte Böden fruchtbar machen wollen.

Bis dahin ist es aber noch weit, und daher fanden sich bislang nur 5.000 Interessierte, die die Initiative zum „Schutz der Umwelt vor Synthetischen Organismen“ mit ihrer Unterschrift unterstützten. Die 25 um den US-Biochemiker Craig Venter tätigen Forscher benötigten 15 Jahre und etwa 40 Millionen Dollar, um die synthetische Erbsubstanz eines Bakteriums (Mycoplasma mycoides) herzustellen. Dessen Komponenten freilich sind keine Neuerfindungen, sondern nur in naturfremder Weise zusammengesetzt. Nach der Zergliederung durch Enzyme wurde das Erbgut entziffert und schließlich in ein anderes Bakterium (Mycoplasma capricolum) transplantiert. Der vermeintliche Schöpfungsakt ist demnach ein Akt der Manipulation, wie geklonte Wesenheiten einem Kopiervorgang, nicht dem Einhauchen neuen Lebensodems entspringen.

Welche Auswirkungen die Entlassung des Designer-Bakteriums in die freie Wildbahn hätte, blieb und bleibt unerforscht. Der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio spricht deshalb von „Selbstüberschätzung“ im Bereich der synthetischen Biologen. Sie verstiegen sich dazu, den genetischen Code neu schreiben und die Evolution hinter sich lassen zu wollen. Unter keinen Umständen dürften Begrifflichkeiten wie die „lebende Maschine“ dazu führen, das Leben auf eine beliebig herzustellende, zu patentierende und zu verkaufende Ware zu reduzieren. Nutzleben mit Ablaufdatum als Zerstreuungsartikel der Wegwerfgesellschaft gewissermaßen.

Was lebt, ist aber sehr viel mehr als die von Venter definierte „organische Informationsmaschine“. So moniert der Berliner Biologe Andreas Weber das „Grunddilemma der Industriegesellschaft, daß wir Systeme manipulieren, die wir noch gar nicht genug verstehen“. Machbarkeitsanmaßung ist kein Ersatz für Schöpfungskompetenz. Die aber lassen nicht nur promovierte Gentechniker, sondern erst recht die über die Seite DIYbio.org (DIY steht für do it yourself) vernetzten Biohacker vermissen. Hier läuft ein reger Informationsaustausch über die DNS-Manipulationen.

Die Daseinsbastler agieren in Garagen und Schuppen. Sie beziehen ihr Instrumentarium und lebendes Experimentiergut (Biobricks) übers Internet. Während in Europa genehmigungslos eingerichtete Genlaboratorien verboten sind (in Deutschland drohen bis zu drei Jahren Haft), feiert die Biotüftlerszene in den USA fröhliche Urständ. Heimlabors finden sich hier in der gesetzlosen Zone eines laienwissenschaftlichen Graubereichs, in dem beliebig an Einzellern manipuliert werden kann, deren Farben, Düfte oder sonstige Eigenschaften angepaßt werden.

Sollte es im Zuge der weltweit von mehreren tausend Hobbyschöpfern betriebenen „Forschungen“ zu Schäden an Mensch oder Umwelt kommen, hätte dies gravierende Auswirkungen für die aufstrebende Biotech-Branche, die wenig Interesse an strengen Spielregeln hat. Wie so oft treten die selbsternannten Menschenfreunde mit hehren Zielen in den Argumentationsring. Es ginge um eine kurierte Umwelt, um Biosprit und eine neue Generation wirksamster Medikamente. Die Botschaft vernehmen auch Skeptiker, alleine ihnen fehlt der Glaube. Die um Forschungsgelder im Hundertmillionenbereich wetteifernden Philanthropen konnten schließlich noch nicht den Hauch realitätsbezogener Lösungskompetenz vorweisen.

Das hindert das OneWorld Health Institute, die Gates Stiftung, die britische wie die US-Regierung und andere Kunstbiologiemäzene freilich nicht, großzügige Fördergelder lockerzumachen. Das Pentagon beabsichtigt, 2011 sechs Millionen Dollar in ein Projekt zu investieren, das unter dem Aufhänger Biodesign unsterbliche Zellen mit integrierter Selbstzerstörungsoption zu programmieren gedenkt.

Deren Geburtshelfer folgen damit weniger dem Wunsch nach schrankenlosem Leben als mutmaßlich jenem nach unsichtbaren Aggressoren, die sich nach vollbrachter Untat selbst eliminieren, um eroberte Gebiete für ihre Konstrukteure freizugeben. Gemessen daran harmlos das Ziel, aber gigantisch die Mittel, die der britische BP-Konzern 2007 in die mikrobengesteuerte Kraftstoffproduktion investierte: 500 Millionen Dollar.

Während die synthetische Morgenluft schnuppernde Forschergemeinde bereits weiterdenkt und der willkürlichen Vermischung des genetischen Alphabets (das bei bisherigen Lebensformen aus A, T, C und G besteht) das Hinzufügen neuer Buchstaben folgen läßt, stehen die politischen Entscheidungsträger auf der Bremse.

So sieht die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS), die das Verbraucherschutzministerium berät, keine Notwendigkeit, regulierend einzugreifen. Von der Synthetischen Biologie drohten keinerlei neue Gefahren. Der Schaffung einer Parallelnatur, die sodann doch der Entdeckung paralleler Universen zuvorkommen könnte, steht somit vorerst nichts im Wege. Da die von den USA ausgehende Laienschöpferszene auch in der Schweiz und Frankreich Fuß gefaßt hat, ergeben sich dringende Reglementierungserfordernisse auch für Europa.

Das allerdings liegt geschlossen im synthetischen Dornröschenschlaf. Craig Venter indes gibt das Tempo vor und ergründet, in Kooperation mit dem Pharmariesen Novartis, neue Laborwege, um im Bedarfsfall rasch verfügbare, künstlich nachgebaute Grippeimpfstoffe auf den Markt bringen zu können. Dieser Bedarfsfall wird eintreten, davon kann angesichts von Vogel- und Schweinegrippehysterie ausgegangen werden.

 

Der Verein Testbiotech

Im vergangenen Jahr hat der Münchner Verein Testbiotech mit acht weiteren ausländischen Institutionen eine Unterschriftenkampagne zum „Schutz der Umwelt vor Synthetischen Organismen“ gestartet. Darin wird „eine umfassende Untersuchung der Risiken synthetischer Organismen für Mensch und Umwelt und eine ausführliche Diskussion ethischer Fragen“ gefordert. Es sei möglich, daß synthetische Gene oder Organismen in der Umwelt überdauern und sich ausbreiten, weil sie sich der Kontrolle durch die natürliche Genregulation und evolutionäre Anpassungsmechanismen entziehen können. Nötig seien daher „striktere gesetzliche Regelungen, Verbote und wirksame Kontrollen“ und „die Erfassung und laufende Kontrolle der Firmen und Forschungseinrichtungen, die Gene oder Organismen synthetisieren oder diese verwenden“, um  einer möglichen „Produktion gefährlicher Krankheitserreger und Biowaffen vorzubeugen“.

Testbiotech – Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie:  www.testbiotech.org

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