© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Wenn der Gaumen Heimweh hat
Johann Wittmanns Internetversand liefert bayrische Wurst- und Fleischspezialitäten bis nach Australien
Toni Roidl

Im Discounter kosten 100 Gramm Aufschnitt 49 Cent. Wie soll eine ländliche Familienmetzgerei dagegen bestehen? Keine Chance? Familie Wittmann aus Parkstein im Oberpfälzer Wald zwischen Regensburg und Bayreuth hat eine Lösung: Seitdem Wittmanns ihre regionalen Spezialitäten im Internet zum Versand anbieten, klicken die Kunden wie verrückt auf die virtuelle Kasse. Die deftigen Delikatessen legen per Post weite Wege zurück, teilweise bis nach Übersee. Inhaber Johann Wittmann: „Die meisten Bestellungen gehen ins Ruhrgebiet und nach Berlin. Die Kunden sind zum einen Urlauber, die eine kulinarische Erinnerung an ihr Ferienerlebnis haben möchten, und zum anderen Exilbayern, deren Gaumen Heimweh hat.“ Für diese konserviert der Diplom-Betriebswirt Wurst, Fleisch, Käse, aber auch Sauerkraut oder süßen Senf in versandfertigen Dosen.

Inzwischen zählen auch zahlreiche Firmen zur Kundschaft, die sich von Wittmann Präsentkörbe für auswärtige Geschäftspartner packen lassen. Dabei kommt der Chef der Internetfirma gar nicht aus der Branche. Sein Bruder betreibt die Metzgerei, seine Schwester eine Käserei. Doch der Erfolg des Lieferservices („Das Wurst-Taxi“) für weniger mobile Kunden im weiteren Umkreis brachte den gelernten Kfz-Meister auf die Idee, den Vertriebsradius durch das Internet zu erweitern.

Sonja Wittmann bestätigt: „Das Geschäft läuft gut.“ Davon war die 42jährige ausgebildete Arzthelferin von Anfang an überzeugt: „Wenn man eine gute Geschäftsidee hat, muß man einfach anfangen!“ Ihr Mann unterstreicht: „Der Prozentsatz der Verbraucher, die bewußt regionale Produkte von hoher Güte wollen, nimmt stetig zu. Besonders in der Altersgruppe zwischen 30 und 65 Jahren. Ich erlebe das täglich an unserem Marktstand, als auch im Onlineshop.“

Dafür betreibt der Familienbetrieb viel Aufwand: streßfreie Tierhaltung, natürliches Futter und hofnahe Schlachtung, Verzicht auf künstliche Zusätze. Alle der rund zwei Dutzend regionalen Lieferanten haben sich auf strengste Qualitätskriterien eingeschworen. Trotzdem bleibt Wittmanns Modell bei allem Erfolg ein Nischenbetrieb; die meisten Konsumenten kaufen weiterhin nach dem Preis. Wittmann meint: „Ich kann die Kunden verstehen, die jeden Cent umdrehen müssen. Aber die Deutschen geben ihr Geld lieber für einen Flachbildschirm-Fernseher oder Mallorca-Urlaub aus und sparen dafür am Essen.“ Das will die engagierte Familie ändern: „Wir arbeiten an diesem Verbraucherbewußtsein. Wir gehen auf Lebensmittelmessen und präsentieren dort unsere Idee, wir veranstalten Hoffeste und Schautage.“ Schließlich ist jede Kaufentscheidung auch eine politische Abstimmung darüber, wie Lebensmittel produziert werden sollen.

Gerade traditionelle Schmankerln wie „Bauernseufzer“, Leberkäs, Griebenschmalz und Leberwurst sind echte Verkaufsschlager. Aber auch hausgemachte Marmeladen, Brote, Räucherforellen, Liköre und sogar Seifen verlassen den Oberpfälzer Wald in alle Himmelsrichtungen, selbst nach Australien. Heimat ist eine starke Marke. „Wenn keine lebensmittelrechtlichen Bestimmungen dagegen sprechen, liefern wir in alle Welt“, verkündet Wittmann nicht ohne Stolz. Der Erfolg spricht sich herum: der Tastaturenhersteller „Cherry“ würdigte den „besten regionalen Onlineshop“ im Januar 2010 mit der Goldenen Maus, das Regionalmarketing Oberpfalz kürte den Familienbetrieb im Dezember 2010 zum Unternehmen des Monats.

 www.dosen-hanswurst.de

Fotos: Ein Präsentkorb voller bayrischer „Schmankerln“, Kräutersalz in verschiedenen Variationen: Wittmann vertreibt als „Dosenhanswurst“ auch außergewöhnliche Produkte

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