© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gleichstellungsbeauftragte ahoi!
Marcus Schmidt

Nach den Berichten der vergangenen Tage über die angeblich untragbaren Zustände auf dem Segelschulschiff Gorch Fock warteten die politischen Beobachter in Berlin am Dienstag gespannt auf die Veröffentlichung des Jahresberichtes des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP).

Dem Wehrbeauftragten kommt bei der Kontrolle der Bundeswehr durch das Parlament eine Schlüsselstellung zu. Er wacht darüber, daß die von der Verfassung garantierten Grundrechte der Soldaten auch in den Kasernen und vor allem im Einsatz gewahrt werden. Er geht Beschwerden über Mängel bei Ausbildung und Ausrüstung nach, die die körperliche Unversehrtheit der Bundeswehrangehörigen gefährden könnten. Werden Soldaten, vor allem Wehrpflichtige von ihren Vogesetzten drangsaliert, ist der Wehrbeauftragte die erste Anlaufstelle.

Wenn also die Berichte über systematische Schindereien und Schikanen an Bord des „Skandalschiffes“ Gorch Fock zutreffen, und wer wollte nach den Berichten der vergangenen Tage daran zweifeln, dann müßten zumindest einige Fälle auch Eingang in den Bericht des Wehrbeauftragten gefunden haben. Denn offensichtlich sind die beklagten Verfehlungen ja kein neues Phänomen. Doch die Vorstellung des Jahresberichtes des Wehrbeauftragten stand im krassen Widerspruch zu der politischen und vor allem medialen Aufregung der vergangenen Tage. Abgesehen von den aktuell zur Diskussion stehenden und noch nicht aufgeklärten Vorkommnissen im November 2010 (siehe Seite 4), hat den Wehrbeauftragten nicht eine Beschwerde über die Zustände an Bord der Gorch Fock erreicht.

Entsprechend vorsichtig äußerte sich Königshaus bei der Vorstellung des Berichts über die entsprechenden Schilderungen und warnte vor Verallgemeinerungen. So habe er etwa bislang nicht feststellen können, daß es sich bei der Gorch Fock, wie in einigen Medien berichtet, um einen „Puff“ handele. Auch beim Thema sexuelle Übergriffe äußerte er sich zurückhaltend. Für 2010 seien ihm in der ganzen Bundeswehr drei gravierende Fälle von Übergriffen auf Soldatinnen bekannt geworden. Auch bei seinen bisherigen Besuchen bei der Marine seien ihm keine schwerwiegenden Klagen über die Zustände an Bord der Schiffe zu Ohren gekommen. „Ich habe immer einen sehr guten Eindruck gehabt“, sagte Königshaus.

Er verwies zudem darauf, daß bislang die Stammbesatzung der Gorch Fock und vor allem der Kapitän noch nicht zu den Vorwürfen angehört worden seien. Königshaus ließ durchblicken, daß er es für wünschenswert hält, wenn die Gorch Fock nach Abschluß der Untersuchungen wieder in See sticht. Als Schulschiff könne sie gut auf die besonderen Herausforderungen vorbereiten, die auf See herrschten. Dabei gebe es zwangsläufig Reibereien, wenn junge Menschen an ihre Grenzen herangeführt werden.

Eine Änderung hält Königshaus aber auf jeden Fall für sinnvoll: Künftig solle auf der Gorch Fock eine Gleichstellungsbeauftragte mitsegeln.

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