© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Besuch des Großgläubigers
Wirtschaftspolitik: Obama und Hu Jintao in trügerischer Harmonie / Rivalität zwischen USA und China wächst
Albrecht Rothacher

China will weiter ungestört Geschäfte machen, seinen Reichtum mehren, seine Großmachtrolle ausbauen und US-Irritationen dabei möglichst billig besänftigen. Das war die Botschaft von Präsident Hu Jintao beim Treffen der beiden Weltmächte vorige Woche in Washington. Hu hatte einen bunten Strauß an Gastgeschenken mitgebracht: Drei Milliarden Dollar wolle China in den nächsten Jahren in den USA investieren und für 45 Milliarden Dollar mehr US-Waren importieren, darunter 200 Boeing-Flugzeuge. Dies würde 235.000 neue Arbeitsplätze schaffen, so verkündete das Weiße Haus.

Wenig störte da, daß es sich zumeist um alte Geschäfte handelt, die als neu verkauft wurden. Dazu gab sich Hu konziliant: Man werde US-Firmen im Beschaffungswesen nicht mehr diskriminieren, die Markenpiraterie energischer angehen und ein offeneres Investitionsklima schaffen. Sogar für die Menschenrechte wolle man mehr tun. All das hatte man schon früher gehört – und nichts ist passiert. Doch der politisch angeschlagene Barack Obama war zufrieden und verkündete, dies sei der wichtigste Gipfel seit Jahrzehnten gewesen. Von den „G 2“, die als Duumvirat die Welt regieren sollten, war nichts mehr zu hören.

Die Chinesen ihrerseits waren glücklich, daß der Besuch ohne protokollarische Peinlichkeiten mit Oppositionellen und Protesten ablief. Sie ignorierten den im Kongreß wachsenden Unmut über den chinesischen Handelsüberschuß. Er war im Vorjahr auf 252 Milliarden Dollar angewachsen. Das entspricht der Wertschöpfung von fünf Millionen Industriearbeitsplätzen in den USA. Dazu kommen Klagen über das Währungsdumping (der Renminbi gilt als 20 bis 40 Prozent unterbewertet), die fortgesetzte Industriespionage und Markenpiraterie, die Subventionen für Staatsbetriebe, der Zwang zu Technologietransfers für Ausländer und die aggressive Rohstoffsicherung (JF 2/11).

Auch die geopolitische Einflußnahme der Chinesen jenseits ihrer traditionellen Einflußzone auf dem asiatischen Festland von Nordkorea über Burma bis Pakistan stört die Kreise der Amerikaner und Europäer in Afrika und Lateinamerika empfindlich. So glänzten Spitzenpolitiker wie John Boehner (Sprecher des Repräsentantenhauses) oder Harry Reid (Parteiführer des Senats, der Hu einen Diktator nannte) beim Gala-Diner durch Abwesendheit. Das außenpolitische Thema bei den Anti-Obama-Wahlen 2010 war die Angst vor dem Rivalen China und die Erwartung des eigenen Abstiegs. Chuck Schumer, einflußreicher Senator aus New York, bereitet mit Unterstützung der Textil- und Stahlindustrie erneut einen Gesetzentwurf vor, der China Strafzölle androht, sollte es seine Währung nicht schnell aufwerten.

China hat zwar seit Juni 2010 eine kontrollierte Aufwertung um jährlich sechs Prozent erlaubt, die dank der höheren chinesischen Inflation real zehn Prozent entspricht. Doch denkt Peking nicht an eine Freigabe der Wechselkurse. Das Schicksal des Erzrivalen Japan mit seiner von den USA 1985 erzwungenen Yen-Aufwertung (Plaza-Abkommen) und der folgenden Spekulationsblase ist Abschreckung genug. So sucht China den Zorn der USA mit Worten und Gesten zu beschwichtigen, während es gleichzeitig seine Binnenwirtschaft durch eine modernisierte Infrastruktur und importierte Technologien stärkt, den Zugang zu Öl und anderen Bodenschätzen sichert und seinen außenpolitischen Einfluß systematisch ausbaut.

Mit Devisenreserven von 2.850 Milliarden Dollar verfügt Peking über einen strategischn Schatz. Mit 900 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen ist es der größte Gläubiger der hochverschuldeten USA. Entsprechend deutlich brachte Hu seine Vorbehalte gegenüber der Inflationspolitik Obamas und der Notenbank Fed zum Ausdruck, die die US-Wirtschaft mit Liquidität flutet und die chinesischen Wertpapierbestände gefährdet. Die USA versprachen brav, mittelfristig ihre Verschuldung zurückzufahren. Um die Risiken zu streuen, hat China begonnen, Euro-Anleihen zu kaufen. Mit den griechischen, spanischen oder portugiesischen Bonds macht Peking ein Bombengeschäft: eine hohe Rendite, garantiert vom deutschen Steuerzahler, und dazu Einfluß durch die Schuldnerländer auf EU-Entscheidungen.

Chinas Kreditvergaben an Entwicklungsländer haben mit 110 Milliarden Dollar bereits 2010 das Volumen der Weltbank um zehn Milliarden übertroffen. Peking ist damit der wichtigste entwicklungspolitische Akteur der Welt geworden. Allerdings werden die Devisen – im Gegensatz zum menschheitsbeglückenden Gutmenschentum des Westens – zielgerichtet eingesetzt: zur Exportförderung und Rohstoffsicherung in Afrika, Asien und Lateinamerika sowie als Hintertür nach Europa auf dem Balkan (JF 10/10). Auf der Einkaufsliste der chinesischen Staatsfonds befinden sich Anteile an Konzernen mit weltweiten Rohstoffquellen und führende Technologiefirmen. Sie reichen vom deutschen Werkzeugmaschinenbauer bis zu Öl- und Erdgasfeldern in Argentinien, Brasilien, Nigeria, Angola und Äquatorialguinea. Chinesische Autobauer kauften von Ford Volvo und die Patente des von GM kontrollierten Saab zum Schnäppchenpreis auf.

Es ging in Washington längst nicht mehr um den von den USA verlorenen Kampf bei Textilien, Spielzeug und Elektronikteile, sondern darum, ob General Electric und Microsoft einen fairen Zugang zum chinesischen Wachstumsmarkt erhalten, und so gegenüber ihren dortigen Wettbewerbern die Nase weltweit vorn behalten können. Es sieht nicht danach aus, als ob Peking ihnen diesen Gefallen tun wird.

 

Dr. Albrecht Rothacher ist Japanologe und Asien-Experte. Er ist Autor des Buches „Mythos Asien – Licht- und Schattenseiten einer Region im Aufbruch“ (Olzog Verlag 2007).

Foto: Präsidenten Obama und Hu Jintao in Washington: Es geht längst nicht mehr um den verlorenen Kampf bei Textilien, Spielzeug und Elektronik

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