© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Zeitschriftenkritik: Frankfurter Rundschau – Geschichte
Binnen weniger Minuten vernichtet
Werner Olles

Die Metropole Frankfurt am Main ist vielen Menschen heute nur noch als Stadt der internationalen Banken bekannt. Dabei hat Frankfurt viel mehr zu bieten als himmelstürmende Hochhäuser und – neben seiner Nachbarstadt Offenbach – den höchsten Ausländeranteil in Deutschland. Von den Kaiserkrönungen im Dom, Heinrich von Gagern und der ersten Nationalversammlung in der Paulskirche über die Zerstörung der einmalig schönen Altstadt durch anglo-amerikanische Bomber im Zweiten Weltkrieg bis zum leider teilweise mißlungenen Wiederaufbau und dem Aufstieg zum europäischen Finanzzentrum erlebte Frankfurt eine große, wenngleich auch recht wechselvolle Geschichte mit zahlreichen Facetten.

Band 1 der von der Frankfurter Rundschau herausgegebenen Reihe FR-Geschichte präsentiert nun auf rund hundert Seiten die interessantesten und bewegendsten Ereignisse der Jahre 1969 bis 1990. Beginnend mit dem „Kampf ums Westend“ Anfang der siebziger Jahre, als die Abrißbirnen alte Patrizierhäuser in Schutt und Asche legten, um an deren Stelle Hochhausneubauten für große Verbände und Verwaltungen zu setzen, schildert Claudia Michels den Häuserkampf mit der ersten Hausbesetzung in der Eppsteiner Straße 47 und den folgenden schweren Straßenschlachten mit Dutzenden verletzten Polizisten und Demonstranten. Erst der Zusammenschluß betroffener Westend-Bewohner in der Bürgerinitiative „Aktionsgemeinschaft Westend“ (AWG) brachte die Wende. Von der Stadt in Aussicht gestellte Baugenehmigungen wurden jetzt endlich versagt, eine Reihe von Bürotürmen nie gebaut. Dafür gingen viele Millionen Mark Entschädigung an die Investoren, einige Dutzend Wohnhäuser waren halb zerstört, fünfzig gar völlig unbewohnbar gemacht.

Wie ein Kriminalroman mutet auch das Kapitel um die Alte Oper an. In der Nacht zum 23. März 1944 hatte ein Feuersturm aus Brandbomben binnen weniger Minuten die Frankfurter Altstadt vernichtet. Als der Morgen heraufdämmerte, sahen die Frankfurter, daß auch ihre Oper eine Ruine war. Dabei war sie immer mehr als nur ein Gebäude gewesen: Die alte Oper stand für den stolzen Gemeinsinn des Frankfurter Bürgertums im 19. Jahrhundert. Eine Spendensammlung hatte ihren Bau ermöglicht, und bei der Eröffnung am 20. Oktober 1880 bekannte Kaiser Wilhelm I.: „Das könnte ich mir in Berlin nie erlauben!“

Doch ihr Wiederaufbau stieß nach dem Krieg auf den geharnischten Widerstand der in Frankfurt regierenden SPD, die in der Alten Oper die „Wiederbelebung feudalistischen Gehabes“ sah und lieber ein halbes Dutzend Bürgerhäuser bauen wollte. Wieder waren es Frankfurter Bürger mit dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer, Fritz Dietz, an der Spitze, die die „Aktionsgemeinschaft Opernhaus“ ins Leben riefen und eifrig Spenden sammelten, bis schließlich unter dem neuen CDU-Oberbürgermeister Wallmann am 28. August 1981 die wieder aufgebaute Alte Oper feierlich eröffnet werden konnte.

Kontakt: FR-Geschichte, Karl-Gerold-Platz 1, 60594 Frankfurt. Das Einzelheft kostet 4,95 Euro  http://shop.fr-online.de

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