© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Blick in die Medien
„Die Akte Gysi“ bitte künftig um 20.15 Uhr
Ronald Gläser

Gregor Gysi ist eine faszinierende Gestalt. Seit zwanzig Jahren wurstelt er sich durch das wiedervereinigte Deutschland. Um ihn herum sind etliche Politiker über ihre DDR-Vergangenheit gestolpert, aber nicht Gysi. Gekonnt umschifft er alle Klippen und macht Kritiker, die ihn in die Nähe des Ministeriums für Staatssicherheit rücken, mundtot. Selbst Bonusmeilenaffären oder Wikileaks-Enthüllungen konnten ihn nicht erschüttern.

Dabei hat Gysi geradezu panische Angst davor, mit dem MfS in Verbindung gebracht zu werden. Neulich kam es bei der Aufzeichnung einer Sendung mit Benjamin von Stuckrad-Barre zu folgendem Gespräch zwischen den beiden:

Stuckrad-Barre: „Unterlassungserklärung, bei Ihnen ein wichtiges Wort, (…) wenn man ins Archiv guckt, dann, oh, das wird teuer, das wird teuer, das wird teuer.“

Gysi: „Zu Recht.“

Stuckrad: „Einmal ‘IM Notar’ sagen, zack, 250.000 Euro.“

Gysi: „Leider nicht, das ist immer von 500 bis 250.000 Euro, meistens kommen dann so 2.000 raus.“

Stuckrad: „Das kann ich mir leisten. Also: IM Notar.“

Gysi (lacht): „Zweimal, das macht schon 4.000 Euro.“

Nach der Aufzeichnung wollte Gysi plötzlich die Ausstrahlung unterbinden. ZDF Neo hat diese Szene aber unzensiert ausgestrahlt.

Ebensowenig konnte der Ost-Berliner Rechtsanwalt die Ausstrahlung von „Die Akte Gysi“ unterbinden. Die Dokumentation über Gysis Stasi-Verstrickung wurde vor einer Woche in der ARD ausgestrahlt, allerdings erst um 23.30 Uhr.

Das ist das Traurige, daß solche Fernsehbeiträge bei ARD und ZDF nur zu nachtschlafender Zeit oder in ihren Spartenkanälen laufen. Selbst die vergleichsweise belanglose „Enthüllungsgeschichte“ über den früheren AWD-Chef Carsten Maschmeyer hat die ARD zu einem attraktiveren Zeitpunkt ausgestrahlt als „Die Akte Gysi“.

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