© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Frisch gepresst

Frauenrechtlerin. „Heutzutage, wo die meisten Menschen einen Friseurkopf hätten, sei es eine ordentliche Erquickung, einem Gesicht zu begegnen, das in seiner Eigenart eigentlich gar nicht mehr unterzubringen sei.“ Wer dächte beim Anblick Lenore Kühns in ihrer Biographie nicht unwillkürlich an den von Theodor Fontane geschilderten Eindruck der Physiognomie des Edlen von Alten-Friesack im „Stechlin“? Das von Schicksalsschlägen gezeichnete, harte, mitunter entbehrungsreiche Leben der promovierten Philosophin, Publizistin und deutschnationalen Frauenrechtlerin Lenore Kühn (1878–1955) wird, soweit überhaupt beachtet, in der penetrant „antifaschistisch-feministisch“ konnotierten „Frauengeschichte“ unserer Tage unter der Trias „völkisch-rassistisch-antisemitisch“ abgehandelt. Wie wenig solche vorwissenschaftlichen Übungen mit dem Holzhammer seriöse Forschung ersetzen, belegt die nüchterne, um differenzierende Beurteilung bemühte, aus Familienpapieren und anderen Archivalien gespeiste Darstellung Detlef Kühns, der das Wirken der im Umfeld der „Konservativen Revolution“ anzusiedelnden Deutschbaltin aus der Perspektive der Zeitgenossenschaft verständlich macht. (wm)

Detlef Kühn: Lenore Kühn. Eine nationale Mitstreiterin der Frauenbewegung. Cardamina Verlag, Plaidt 2010, 151 Seiten, gebunden, 15 Euro

 

Tagebücher. Mit der Geburt läuft der Mensch auf seinen Tod zu. Daher gehört die Sehnsucht nach Dauer zu den anthropologischen Konstanten unserer Existenz. Die kann mit ein paar Kindern, einer Firma oder einem anderen „Lebenswerk“ notdürftig befriedigt werden. Am einfachsten jedoch mit einem Tagebuch, was die Faszination dieses Genres gerade in der galoppierenden Moderne erklärt. Ihr erlag auch Friedrich Helms, der die Notzeit nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1946/47 in Wilhelmshorst bei Potsdam erlebte. Einige Absätze aus seinen Notaten fanden bereits Eingang in Walter Kempowskis „Echolot“ („Abgesang ’45“, München 2007). Vollständig ediert hat sie nun Tobias Wimbauer, der 2009 schon das mit einem Vorwort Kempowskis versehene Helms-Diarium von 1945 herausgab. Auch die lesenswerte Fortsetzung 1946/47 wurde nur spärlich erläutert und auf eine biographische Skizze des Verfassers leider verzichtet. (jr)

Friedrich Helms: Tagebuch. Wilhelmshorst 1946/47. Eisenhut Verlag, Hagen 2010, broschiert, 186 Seiten,          21,90 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

27. Januar 1951: In Bonn wird der „Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE) als Bundespartei gegründet. Vorsitzender wird Parteigründer Waldemar Kraft, seit Januar 1950 (BHE: 23,4 Prozent) in Schleswig-Holstein stellvertretender Ministerpräsident.

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