© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Daniel Domscheit-Berg. Der Wikileaks-Aussteiger startet ein neues Enthüllungsportal
Der deutsche Assange
Sverre Schacht

Seinen Namen gibt der Mann mit der hohen Stirn erst seit einiger Zeit preis: „Ich heiße Daniel Domscheit-Berg.“ Bis dahin war er nur unter dem Pseudonym „Daniel Schmitt“ bekannt und sozusagen das deutsche Gesicht der Enthüllungsplattform Wikileaks. Nun macht er unter Klarnamen und als Gründer einer eigenen Enthüllungsplattform Wikileaks Konkurrenz.

Der 1978 geborene Informatiker und einstige Aktivist aus dem Dunstkreis des berühmt-berüchtigten Chaos-Computer-Clubs hat Ende letzter Woche zusammen mit anderen frustrierten ehemaligen Wikileaks-Mitarbeitern das Portal „OpenLeaks“ gestartet. Daß dort lancierte Enthüllungen, ähnlich denen bei Wikileaks, politische Folgen haben werden, ist so gut wie sicher. Geheimnisverrätern (englisch: „Whistleblowers“) zu „ermöglichen, ein Dokument dorthin zu bekommen, wo es ihrer Ansicht nach etwas Gutes bewirken kann, ohne Angst vor irgendwelcher Strafe, (das) ist die Essenz dessen, was wir zu erreichen versuchen“, so die Openleaks-Seite.

Von seinem einstigen Mitstreiter, Wikileaks-Gründer Julian Assange, trennte sich Domscheit-Berg im Herbst im Zorn: Der habe ihn suspendiert „als Ankläger, Richter und Henker in einer Person“. Und zu groß sei außerdem der Druck der USA gewesen: Darunter habe der Anspruch Wikileaks‘ gelitten, alles Wichtige öffentlich verfügbar zu machen, so seine Kritik. Wiki-leaks müsse sich „professionalisieren und transparenter werden“, klagt der IT-Experte und kündigt für Anfang Februar seine Abrechnung in Buchform an: „Inside Wikileaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“ (Econ). Eine dezentrale Plattform im Gegensatz zum eher hierarchischen Wikileaks schwebt ihm vor. Jeder soll alles lesen können – und nicht nur lesen, auch Kommentieren soll dort möglich sein.

Verheiratet ist der 33jährige mit einer führenden Mitarbeiterin des US-Software-Großunternehmens Microsoft. Wie sie unterstützt auch er die „Isländische Initiative zu modernen Medien“, deren Ziel es ist, in Island günstige juristische Bedingungen für investigativen Journalismus zu schaffen und so der wachsenden weltweiten „Whistleblower“-Gemeinde quasi ein „Heimatland“ mit für sie besonders günstigen Gesetzen zu geben.

Denn den Preis für die Enthüllungen zahlen bei Wikileaks mitunter die Quellen: Der US-Soldat, der Assanges Organisation die internationale Empörung auslösenden Videos von US-Hubschrauber-Angriffen auf irakische Zivilisten lieferte, sitzt bekanntlich inzwischen in Haft. „Wir machen keine Aussagen zu unseren Quellen“, kündigt Domscheit-Berg an. Das gilt auch für 37.000 E-Mails der NPD, deren Veröffentlichung er letztes Jahr ankündigte. Damals suchte er eine „Plattform, wo wir sie sinnvoll publizieren können“ – jetzt hat er sie: Openleaks.

 www.openleaks.org

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