© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Zurück zu den Wurzeln
Terrorismus: Norddeutschland bleibt ein Schwerpunkt der islamistischen Szene
Sverre Schacht

In Berlins erstem Islamisten-Terrorprozeß hat die Angeklagte Feliz G. vor kurzem gestanden, islamistische Hetze ins Netz gestellt zu haben. Die Frau des deutschen Konvertiten und verhinderten Sauerland-Attentäters Fritz G. suchte auch nach dessen Verhaftung Mittäter und Finanziers für Anschläge – auch deutsche. In Hamburg finden nun radikale Islamisten nach der scheinbaren Zerschlagung der Szene durch Schließung der Taiba-Moschee neue Einflußmöglichkeiten. Die Taiba (Al-Quds-Moschee) war ein Sammelbecken Radikaler. Eine militante Gruppe brach von hier auf, den Westen zu bekämpfen – mit dabei: Konvertiten.

Die „Eyüp-Sultan-Moschee“ unweit des Harburger Rathauses wird von gut einem Dutzend einstiger radikaler Taiba-Anhänger regelmäßig besucht. Das bestätigen nun Sicherheitsbehörden. Der Ort liegt nur wenige Meter von der Marienstraße entfernt, wo die Terroristen des 11. September 2001 ihre Anschläge auf die Vereinigten Staaten in der Wohnung von Todespilot Mohammed Atta planten. Hamburgs Verfassungsschutzchef Manfred Murck sagt: „In der Tat hat sich mit der Schließung der Taiba-Moschee die Dschihadisten-Szene, die rund 40 Personen umfaßt, zerlegt. Das war auch so beabsichtigt. Ein Teil dieser Gruppe kommt jetzt nach Harburg.“ Aus „operativen Gründen“ will die Behörde keine Einzelheiten nennen.

Die Muslime im Umfeld der Moschee wollen gegenüber der regionalen Presse nichts von den neuen Besuchern der Freitagsgebete bemerkt haben. Es gibt weiter einen „Tag der offenen Moschee“. Das Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland, zu dem die Einrichtung gehört, wehrt sich, betont „Begegnung – Austausch – Dialog und Respekt“. Im Internet distanziert sich die Gemeinde von radikalen Strömungen: „Wir sagen all jenen, die Haß und Feindschaft in ihren Herzen tragen: Ihr gehört nicht zu uns!“ Die Frage, warum es die Taiba-Anhänger in das Bethaus zieht, bleibt so vorerst offen. Die fünf täglich dort stattfindenden Gebete sichern eine gewisse Anonymität. Hier kennt nicht jeder jeden. Die Verrichtung von Gebeten nahe der Wirkungsstätte der Todespiloten des 11. September trägt sicher zur Attraktivität des Standorts bei. Der Tenor in der islamischen Gemeinde vor Ort geht jedenfalls in eine andere Richtung: „Verhaftet sie doch, dann haben wir unsere Ruhe.“ Genau das bleibt jedoch aus. Hamburgs Behörden halten sich, Wochen nachdem einstige Taiba-Anhänger in Afghanisten im Kampf gegen den Westen bei einem amerikanischen Angriff starben, zurück. Das Auftreten der Taiba-Gruppe könnte so bald agressivere Züge annehmen.

Ähnliches bahnt sich im Westen der Hansestadt an. Eine andere Taiba-Gruppe hat dort eine Moschee zum regelmäßigen Anlaufpunkt gewählt. Pinneberg gilt bisher eher als beschaulicher Rückzugsort bürgerlicher Großstadtflüchtlinge. Vor kurzem drohte ein Islamist deutscher Herkunft dort dem lokalen jüdischen Gemeindevorstand. Auf der inzwischen gesperrten Netzseite der „Islamic Hacker Union“ stand neben einem rot durchkreuzten Foto des Gemeindevorstands: „Paß auf, daß Allah dich nicht schon im Diesseits straft mit dem Tod.“ Aussagen dieses Stils sind nicht neu. Sie fordern Muslime auf, den vermeintlich göttlichen Willen umzusetzen.

Neu ist dagegen die einschlägige Internetseite. Der Betreiber ist offenbar ein 18 Jahre alter deutscher Konvertit, gegen den das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein mittlerweile ermittelt. Der polizeilich bereits Bekannte ist nach der Vernehmung inzwischen wieder auf freiem Fuß. Der Hintergrund der Todesdrohung ist nach Erkenntnis der Ermittler der Zorn über die  Kritik an der Pinneberger Assunah-Moschee.

Ein Verfahren gegen den Mann wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Publik geworden war die Drohung durch den dortigen Auftritt von Ex-Rapper und Konvertit Deso Dogg. Er tourt als radikaler Prediger „Abu Malik“. Ein Pinneberger war auch unter den Toten des amerikanischen Angriffs. Die Behörden trösten sich indes damit, daß die Taiba-Gruppen noch keinen Einfluß auf die Leitung der Gotteshäuser haben. Zumindest rechnen sie nicht damit. Das sei „auch ungewöhnlich“, so ein zuständiger Beamter. Diese Gelassenheit ist trügerisch, hatten die Behörden doch nach der Schließung der Taiba-Moschee Kritik an einer drohenden Unterwanderung anderer Gemeinden durch heimatlose Taiba-Radikale zurückgewiesen.

Doch genau das trat ein. Die Lage ist trotz des vielleicht begrenzten Einflusses der Radikalen auf die Bethäuser bedrohlich, weil die Behörden im Fall der Taiba-Moschee Jahre brauchten, um eine rechtliche Handhabe gegen das dortige Islamisten-Netzwerk zu erkennen. In Pinneberg hat der Vermieter den Mietvertrag mit der islamischen Gemeinde jedenfalls vorsorglich schon gekündigt.

 

Marienstraße: Die unscheinbare Marienstraße im Hamburger Stadtteil Harburg spielte in den Vorbereitungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die Vereinigten Staaten eine Schlüsselrolle. In einer Wohnung in der Marienstraße 54 wohnte der Terrorist Mohammed Atta während der Planung der Anschläge auf das World-Trade-Center in New York und das Pentagon in Washington. Atta studierte zeitweilig an der Technischen Universität in Harburg.

Foto: Marienstraße in Hamburg-Harburg:  „Verhaftet sie doch, dann haben wir unsere Ruhe“

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