© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Vor die Tür gesetzt
„Kampf gegen Rechts“: Durch den massiven Druck von Linksextremisten ist es für Konservative immer schwieriger, Veranstaltungsräume zu ­ finden
Felix Krautkrämer

Die Veranstaltung ist seit Wochen geplant, Ort und Zeit stehen fest, die Einladungen sind verschickt, da klingelt das Telefon und der Vermieter meldet sich: Er müsse die Zusage für die Räumlichkeiten leider zurückziehen. Er sei erst jetzt  darauf aufmerksam geworden, mit wem er es zu tun habe und über den „rechtsextremen Charakter“ der Veranstaltung im Bilde. Kurz: Der Vertrag ist gekündigt.

Seit Jahren kämpfen rechte und konservative Parteien, Vereine, Stiftungen, Verlage und Organisationen mit vom politischen Gegner erzwungenen Raumkündigungen. Vielerorts hat der Druck, den die Antifa, Gewerkschaften und linke Politiker auf Vermieter ausüben, dazu geführt, daß Veranstaltungen für die besagten Gruppen kaum noch möglich sind.

Das mußte kürzlich auch der frühere Berliner CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz erfahren. Der 46jährige wollte Mitte Januar den Wahlantritt seiner Partei „Die Freiheit“ zur Abgeordnetenhauswahl im September beschließen. Doch nur wenige Stunden vor dem geplanten Parteitag setzte ihn der Vermieter, die GLS-Sprachschule, kurzerhand vor die Tür. Vorausgegangen waren Proteste des „Bündnis Rechtspopulismus stoppen“, einer linksradikalen Gruppierung, die unter derselben Adresse wie das Neue Deutschland firmiert und Stadtkewitz Islamfeindlichkeit vorwirft. Da die Kündigung so kurzfristig erfolgte, mußte der Parteitag notgedrungen abgesagt werden. Eine Ausweichmöglichkeit war auf die Schnelle nicht mehr zu finden. „Das hat schon etwas von einer Gesinnungsdiktatur“, beklagt Stadtkewitz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT den Rauswurf. Nur seien in der Diktatur die Fronten wenigstens bekannt gewesen. Heute dagegen behaupte der Gegner im Namen von Demokratie und Freiheit für das Gute zu kämpfen. Das führe am Ende dazu, daß man nicht einmal mehr Zutritt zu einer Gaststätte erhalte.

Doch wie kommt es, daß Hoteliers und Gastwirte zahlende Kunden ohne Vorwarnung auf die Straße setzen und damit auf Einnahmen verzichten? Oftmals ist es schlicht die Angst um die eigene Existenz. Wenn Linksextremisten mit Randale und Gewerkschaften mit Boykott drohen, wenn Politik und Presse sich in Vorwürfen überbieten, wissen sich die meisten Vermieter nicht anders zu helfen, als die bestehenden Verträge fristlos zu kündigen. Meist berufen sie sich dabei auf eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der eine Aufhebung der getroffenen Vereinbarung jederzeit möglich ist, sollte der „reibungslose Geschäftsbetrieb, die Sicherheit oder das Ansehen“ des Hauses gefährdet sein.

Bisweilen sorgt aber auch der Staat dafür, daß sich die Hoteliers Gedanken über ihre potentiellen Gäste machen. Das zumindest behauptete der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Berlin, Thomas Lengfelder, unlängst in einem Interview mit der taz. So kämen in Fällen, in denen es um rechtsextreme Parteien gehe, Hinweise „vom Verfassungsschutz oder der Polizei“.

Beim Berliner Verfassungsschutz will man Lengfelders Aussage weder bestätigen noch dementieren: „Wir äußern uns nicht dazu, wie wir in solchen Fällen vorgehen“, lautet die kurze Antwort einer Sprecherin der Behörde. Dennoch spricht einiges dafür, daß die Verfassungsschützer mitunter selbst aktiv werden. So wurden beispielsweise der rechten Kulturvereinigung „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP) 2009 von einem Brandenburger Hotel die Tagungsräume für ihren Jahreskongreß gekündigt. Eine Mitarbeiterin des Hotels gab damals an, ein Anruf des Verfassungsschutzes habe das Haus über den angeblich rechtsextremen Hintergrund der GfP informiert.

Auch Thomas Rau, Wirt des Ratskellers im Berliner Stadtteil Schmargendorf, erhielt vor ein paar Wochen Besuch von der Polizei. Ein Beamter klärte ihn darüber auf, daß es sich bei den Gästen, die sein Lokal für eine Versammlung gemietet hatten, um Mitglieder von Stadtkewitz’ Partei „Die Freiheit“ handelte. Seine Frage, ob er den Vertrag kündigen solle, habe der Polizist verneint, sagt Rau. Allerdings habe er vor linken Protesten gewarnt. Nun bangt der 52 Jahre alte Wirt um seine Existenz. Denn nachdem das linkextreme Internetportal Indymedia und der Tagesspiegel auf die Versammlung sowie eine frühere „umstrittene Veranstaltung“ aufmerksam gemacht hatten, forderten Grüne und SPD in der zuständigen Bezirksverordnetenversammlung, den Mietvertrag mit Rau zu beenden.

Angeblich habe der Wirt gegen den Pachtvertrag des Bezirks verstoßen. Darin verpflichtet sich der Vermieter, „den Betrieb entsprechend der Würde des Rathauses zu führen und nichts zu tun, was das Ansehen der demokratischen Verwaltungsbehörde oder des demokratischen Staates“ beeinträchtigt. Versammlungen, „die von staatsfeindlichen Personen“ oder „Gegnern der Demokratie veranstaltet oder besucht werden“, seien in den Räumlichkeiten nicht geduldet. Rau fühlt sich von der Politik im Stich gelassen und überrumpelt: „Woher soll ich wissen, wer rechts ist und wer nicht? Wenn sich jemand Schuhe kauft, fragen Sie ihn doch auch nicht, welcher Partei er angehört.“

Der Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik (IfS), Erik Lehnert, kann mittlerweile ein Lied von den Schwierigkeiten singen, in der Hauptstadt geeignete Räumlichkeiten zu bekommen. Mehr als einmal wurde dem Institut in der Vergangenheit in letzter Minute fristlos gekündigt. Knüppeldick kam es im Mai 2009. Das IfS hatte zum 17. Berliner Kolleg geladen. Auf dem Programm stand „Die deutsche Frage und das Jahr 1989“, als Tagungsort war die GLS-Sprachschule angemietet worden. Vier Tage vor der Veranstaltung berichtete das SPD-Blatt Blick nach Rechts von dem bevorstehenden Kolleg – zwei Tage später erhielt Lehnert telefonisch die Kündigung. „Da stehen Sie dann da. Zweihundert Zusagen aus ganz Deutschland und keine zwei Tage mehr, um völlig umzuplanen“, erzählt der 35 Jahre alte Berliner. „Was nun? Wie auf die Schnelle einen Ersatz finden? Reicht die Zeit noch, um allen Teilnehmern den neuen Veranstaltungsort mitzuteilen? Und was, wenn dieser auch gekündigt wird? Das sind die Fragen, die einem in diesem Moment durch den Kopf gehen.“ Durch Kontakte fand sich eine Ausweichmöglichkeit in Berlin-Reinickendorf. Der Vermieter, über das IfS und die Problematik informiert, hatte Lehnert angesichts der zu erwartenden Einnahmen von mehreren tausend Euro versichert, unter keinen Umständen vom Vertrag zurückzutreten.

Am nächsten Tag klingelte das Telefon und nach ein paar entschuldigenden Worten stand der IfS-Geschäftsführer erneut ohne Raum da. In einer Mitteilung begründete der Vermieter sein Einknicken mit einer „Flut von Protestschreiben und Anrufen (Verdi, Berliner Parteien und Privatpersonen)“, die ihn erreicht habe und in der vor „massiven Protesten“ gewarnt worden war. Zwar konnte die Veranstaltung letztlich doch noch in einem leerstehenden Fabrikgebäude stattfinden, doch war dies vorerst das letzte Berliner Kolleg. Der Aufwand, so Lehnert, sei derzeit einfach zu hoch. Vor lauter Ärger drohe die eigentliche Arbeit auf der Strecke zu bleiben.

So wie in Berlin läuft es überall in Deutschland: In Hamburg kündigte die Handwerkskammer 2009 der „Vereinigung Hamburger Akademikerverbände“, einem Zusammenschluß von Studentenverbindungen, die Räumlichkeiten für den geplanten Verbändekommers. Da auch das angefragte Intercontinentel Hotel ablehnte, mußte die Feier schließlich ausfallen. 2010 fand mangels geeigneter Räumlichkeiten ebenfalls kein Kommers statt, und auch in diesem Jahr sieht es nicht besser aus. Auch in Frankfurt setzte die Industrie- und Handelskammer im vergangenen August nach einer Kampagne der Frankfurter Rundschau den Convent Deutscher Akademikerverbände und den Rhein-Main-Kommers vor die Tür. Auf das Ausweichquartier in Darmstadt verübten Linksextremisten in der Nacht vor dem Kommers einen Farbanschlag, wodurch ein Schaden von über 50.000 Euro entstand.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Betroffen sind allerdings bei weitem nicht nur rechte Kleinparteien oder Studentenverbindungen. Erst vergangene Woche sagte die Technische Universität Berlin eine Vortragsveranstaltung mit Thilo Sarrazin zum Thema „Zuwanderung und Integration“ ab, nachdem linke Gruppen mit Protesten gedroht hatten. Im Mai 2008 verhinderten Linksextremisten einen Vortrag der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach (CDU) an der Universität Potsdam. Rund sechzig Personen blockierten den Zugang zum Hörsaal und griffen Zuhörer an.

Der Freiburger Staats- und Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek sieht in den Vorgängen eine gefährliche Entwicklung. Für ihn setzt Demokratie einen freien Meinungsbildungsprozeß voraus. Sei der nicht gewährleistet, stehe letztlich auch die Demokratie auf dem Spiel. Juristisch sei die Problematik allerdings oftmals schwer zu fassen: „Zum demokratischen Meinungskampf gehört es durchaus dazu, daß sich die politischen Kontrahenten auch mal etwas härter angehen. Das darf aber nicht dazu führen, daß bestimmten politischen Gruppen die Möglichkeit genommen wird, sich zu präsentieren und für ihre Meinung zu werben.“ Für ihn sind die Grenzen des freien Meinungskampfes beispielsweise überschritten, wenn Vermieter durch Parteien und Gewerkschaften unter Druck gesetzt werden. Ein solcher Boykott bedrohe die Existenz der Hoteliers und Gastwirte und sei geeignet, die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit flächendeckend zu verhindern.

Daß auch an Universitäten Veranstaltungen aufgrund von Protesten abgesagt werden, empfindet der 62 Jahre alte Jurist dagegen als beschämend: „Das ist nicht im Sinne der Redefreiheit.“ Alle staatlichen Einrichtungen seien in dieser Hinsicht zu politischer Neutralität verpflichtet. Und gerade Hochschulen sollten Orte des freien Diskurses und nicht der Diskursverhinderung sein.

 

Initiative „Gemeinsam für Toleranz“

Im Juni 2008 gründeten die Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß (ANG) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG) unterstützt vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) die Initiative  „Gemeinsam für Toleranz“.  „Vor dem Hintergrund zunehmender Gewalttaten, vor allem von rechtsextremen Gruppierungen, und den Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien“ habe man sich entschieden, „gemeinsam Farbe zu bekennen“. Auf der Internetseite werden Informationen über „rechtsextreme Mythen“, „rechtsextreme Musik“ sowie „Symbole und Zeichen der Rechtsextremisten“ angeboten. Der Inhalt dazu stammt unter anderem vom Verfassungsschutz, der Bundeszentrale für politische Bildung und dem „Netz gegen Nazis“.

Der Hamburger Landesverband der Dehoga brachte zudem Ende vergangenen Jahres gemeinsam mit dem „Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg“ die zwanzigseitige Broschüre „Rechtsextremisten nicht auf den Leim gehen. Ein Ratgeber für die Gastronomie“ heraus. Darin werden Tips gegeben, wie Gastwirte „durch die Gestaltung des Nutzungs- bzw. Mietvertrages“ den „Mißbrauch der Einrichtung durch Rechtsextremist/innen vertraglich“ ausschließen können. Zudem warnen die Verantwortlichen, die Vermieter würden oftmals über den Hintergrund der Veranstaltung im unklaren gelassen. Als Beispiel nennt die Broschüre den „Verbändekommers der Vereinigung Hamburger Akademikerverbände – Akademischer Bismarckausschuß“ (siehe oben). Bei dieser Veranstaltung habe der Name „nicht gleich auf einen rechtsextremen Hintergrund schließen“ lassen.

Foto: Konservativen Gruppen droht in Gaststätten der Rauswurf: „Hinweise vom Verfassungsschutz und der Polizei“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen