© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Abschrecken und Kunden locken
Chinas Aufrüstung im Luftraum: Chinesische Jian-20 soll russischen Mehrzweckjäger ausbremsen
Paul Leonhard

Lange gab es nur verschwommene Amateuraufnahmen. Aber ausgerechnet an jenem Januartag, als US-Verteidigungsminister Robert Gates Peking besuchte, berichteten Chinas Medien über den Jungfernflug eines neuen Tarnkappenkampfjets. In den Zeitungen erschienen Fotos des Jian-20-Fliegers, der als die chinesische Antwort auf den F-22-Raptor der Amerikaner und die T-50 der Russen gilt.

Gates zeigte sich „beunruhigt“ über diese Demonstration. Experten zeigen sich da gelassener. Die neue Maschine sei für Überschall-Dauerflüge nicht geeignet, schlußfolgerten Militärexperten in der russischen Wochenzeitung WPK. Sie verwiesen auf die Konstruktion der Luftzufuhr. Sie stufen das Jagdflugzeug daher auch nicht als eines der fünften Generation, sondern bestenfalls als „Generation 4+“ ein. Die russischen Experten kennen sich aus. Immerhin arbeiten China und Rußland seit 20 Jahren bei der Entwicklung von Kampfflugzeugen zusammen. Das nutzte Peking, um russische Maschinen einfach zu kopieren. So gilt das schiffsgestützte Flugzeug J-15 als Klon. Man habe Fragen an die Chinesen hinsichtlich der Urheberrechte, sagte Suchoi-Chef Michail Pogossjan im vergangenen Sommer. Daß die Verstimmungen nicht größer wurden, liegt an der schlechten technischen Ausstattung der chinesischen Maschinen. Außerdem zeigten sich die Chinesen bisher außerstande, russische Triebwerke zu kopieren oder moderne Verbundwerkstoffe selbst zu entwickeln. Die jetzt gezeigte J-20 gilt als leere Hülle, die erst in den nächsten Jahren mit modernen Konstruktionselementen gefüllt werden kann. Mit einer Serienproduktion wird erst in zehn bis zwanzig Jahren gerechnet.

Trotzdem war der Jungfernflug der J-20 ein deutliches Signal, daß die Chinesen künftig auf dem Rüstungsmarkt mitmischen wollen. Betroffen dürfte das T-50-Projekt des russischen Herstellers Suchoi sein. Der Mehrzweckjäger der fünften Generation hat Ende Januar 2010 seinen ersten Testflug erfolgreich absolviert. Wie beim Eurofighter Typhoon kann sich der Pilot aufgrund neuer Bordelektronik auf taktische Aufgaben konzentrieren. Stolz sind die Konstrukteure auf ein völlig neues Triebwerk, was gegenüber der Su-35 stärkere Schubleistung und höhere Manövrierfähigkeit verspricht. Die russische Luftwaffe soll ab 2013 auf Maschinen der fünften Generation umgerüstet werden. Ab 2018 soll der Export der T-50 beginnen. Ziel war von Anfang an, daß das Flugzeug in der Exportvariante weniger kostet als die ausländische Konkurrenz. Bei Suchoi rechnet man mit Auslandsaufträgen über mehr als 600 Maschinen. Länder wie Algerien, Libyen, Malaysia, Argentinien, Venezuela oder Algerien haben auch die Chinesen im Visier. Peking will seine J-20 in sechs Jahren in Dienst stellen.

Gelinge es China in absehbarer Zeit, das Flugzeug zur Serienreife zu entwickeln, würden beide Länder künftig um Kunden ringen, die nichtamerikanische Militärtechnik bevorzugen, sagte Konstantin Makijenko, Vizechef der russischen Denkfabrik Cast, der Nachrichtenagentur Ria Novosti. Vor diesem Hintergrund sei die J-20 gefährlicher als der amerikanische Jagdbomber F-35.

Der Start der chinesischen J-20 während des Gates-Besuchs gilt auch als politisches Signal an die USA, die zuvor vor der koreanischen Halbinsel mit Flugzeugträgern Stärke demonstriert hatten. Peking präsentiert die Waffen. Schließlich ging es bei dem Besuch des US-Verteidigungsministers um die Wiederaufnahme des Militärdialogs zwischen beiden Ländern.

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