© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Gruß aus Budapest
Ungarische Geschenke
Jan Mainka

Die Spannung war letzten Freitag groß, als die EU-Staatssekretärin Enikő Győri die Pressevertreter ins ungarische Außenministerium lud, um ihnen dort die EU-Gastgeschenke vorzustellen. Groß war sie schon allein deshalb, da die Pressepräsentation seit mindestens einem Monat überfällig war. Was also war das, was so lange gebraucht hatte beziehungsweise: Wie sieht die geschenkgewordene Quintessenz so langwieriger Überlegungen aus? Mit welchen genialen Geschenken würde Ungarn bei seinen EU-Gästen für einen bleibenden Eindruck sorgen?

Würde es vielleicht sogar geschickt verpackte Botschaften geben? Oder sogar ganz offen kleinere gewollte oder in Kauf genommene Provokationen, wie jüngst beim großen Ungarn-Teppich (JF 4/11) in der Eingangshalle des Brüsseler EU-Ratsgebäudes? Und wenn die Geschenke schon keine direkten Provokationen beinhalteten, würden sie dann wenigstens einen gewissen Spielraum bieten, um diese in sie hineininterpretieren zu können?

Um es gleich vorwegzunehmen: Nach monatelangem Nachdenken ist den ungarischen Geschenkeplanern das Kunststück gelungen, den der Presse präsentierten Gabentisch im Ministerium mit völlig unspektakulären Geschenken zu decken. Die meisten davon kreisen um das Thema ungarische Erfindungen. So gibt es unter anderem Taschenlampen mit einem Dynamo (erfunden 1860), Vitamin-C-Tabletten (1920er Jahre), Kugelschreiber (1938), Hologramme (1947) und natürlich die berühmten Rubikwürfel – mit immerhin erst 36 Jahren die jüngste Erfindung im Reigen.

Abgerundet wird die Palette der Erfindungs-Oldtimer durch vom Stil her auch nicht gerade taufrische Krawatten in den ungarischen Landesfarben für die Herren und von lila Tüchern für die Damen. Ästhetisch könnten die Kreationen höchstens als gewagt bezeichnet werden, wenngleich sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten läßt. Unstrittig ist hingegen, daß es bei diesen Accessoires wie auch bei den zuvor genannten Beispielen ungarischen Erfindungsgeistes offensichtlich darum ging, die Belastung für den ungarischen Steuerzahler so gering wie möglich zu halten und externen Beobachtern des Landes die Ernsthaftigkeit der heimischen Sparanstrengungen möglichst gut vor Augen zu führen.

Dies ist in einem Maße gelungen, daß man sich insgeheim wünscht, bei den Bestellmengen wurde nicht zu sehr gespart, so daß auch den Teilnehmern zukünftiger IWF- oder Weltbank-Delegationen noch einige dieser Zeugnisse eisernen ungarischen Sparwillens überreicht werden können.

 

Jan Mainka ist Gründer und Herausgeber der „Budapester Zeitung“.  www.budapester.hu

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