© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Im Dienst der Freiheit
Luxemburg: Die Alternative Demokratische Reformpartei – Gemeinwohl über alles
Claus-M. Wolfschlag

Von den als „rechtspopulistisch“ betitelten Parteien Westeuropas wird die luxemburgische ADR am wenigsten in den deutschen Medien beachtet. Das mag an der geringen Größe des Großherzogtums liegen und an den dort bislang wenig spektakulären Auswirkungen europäischer Politikmißstände.

Die Sorge um Ungerechtigkeiten im Rentensystem stand am Anfang der Partei. 1987 wurde als Vorläufer das „Aktiounskomitee 5/6 Pensioun fir jiddfereen“ gegründet, das 1989 ins Landesparlament einzog. Die Gruppierung wandelte sich 1992 zum „Aktiounskomitee fir Demokratie a Rentegerechtechkeet“, so daß erstmals die Parteibuchstaben ADR in Erscheinung traten. 1999 konnte die ADR mit sieben Abgeordneten ins Parlament einziehen. Ab 2004 kam es indes zu Rückschlägen, man verlor Mandate bei den Wahlen, zudem gab es interne Abspaltungen, die den Fraktionsstatus kosteten. So wurde es Zeit für einen Neuanfang, und 2006 änderte das Aktionskomitee für Demokratie und Rentengerechtigkeit seinen Namen und wandelte sich zu einer richtigen Partei: Die „Alternativ Demokratesch Reformpartei“ war geboren.

Die Forderungen der ADR lesen sich wie solche einer klassischen bürgerlich-konservativen Partei. „Die ADR ist die einzige politische Partei, die der leistungsfeindlichen Unterrichtspolitik“ der großen Koalition aus Christlich Sozialer Volkspartei (CSV) und der Sozialistischen Arbeiterpartei (LSAP) eine „klare Alternative entgegensetzt“, verlautbart die Partei etwa angesichts sich verschlechternder schulischer Situationen. So werden die verstärkte Förderung von Begabten und ausreichende Sprachkenntnisse zugewanderter Schulanfänger gefordert: „Nach nun schon sechs Jahren sozialistischer Demontagepolitik an unserem Schulwesen wird es höchste Zeit, sich wieder auf die traditionellen Qualitäten des luxemburgischen Bildungssystems zu besinnen: Vermittlung von Wissen und Allgemeinbildung, Förderung des Leistungsprinzips und Achtung vor ethischen Werten.“

Die ADR tritt für soziale Gerechtigkeit ein, in Rentenwesen, Besteuerung, Arbeitswelt, Familien- und Schulpolitik. Daneben zeigt sie aber auch einen stark freiheitlichen Zug, betont landwirtschaftliche Interessen und ökologische Nachhaltigkeit, also die Ablehnung von Raubbau an Natur und Bodenschätzen. Tendenziell ist die Partei EU-skeptisch, kritisiert das Demokratiedefizit und die mangelnde Transparenz der europäischen Institutionen. Dem deutschen Nachbarn ist man freundlich gesinnt, und so kritisierte die Partei Verbalentgleisungen von Premier Jean-Claude Juncker (CSV) gegen Deutschlands Europapolitik, da dies den nationalen Interessen schade, und forderte zu einem guten bilateralen Verhältnis auf.

Kulturpolitisch tritt die Partei unter der Leitung von Präsident Roby Mehlen für den Erhalt der moselfränkischen luxemburgischen Sprache ein, im Gegensatz zum offiziell dominanten Französisch. Die Netzseite der Partei ist komplett in Hochdeutsch und Luxemburgisch verfaßt. Mit ihrem sprachpolitischen Anliegen konnte sie nach eigenen Angaben bereits erfolgreich Druck auf das politische Establishment bei dessen Integrationspolitik ausüben.

Die Gruppierung wird vor allem deshalb von den etablierten Parteien gefürchtet, weil sie den Finger unbarmherzig in die Wunden der offiziellen Politik der großen Koalition legt. Luxemburg ist demnach längst auch keine Insel der Seligen mehr, wenngleich die finanziellen Reserven des Landes sicherlich noch längeren Spielraum zulassen.

Vor allem linke Kritiker werfen der Partei vor, ihr Fähnlein oft nach dem gerade wehenden Wind auszurichten, insofern populistische Politik zu betreiben. Hätte die ADR anfangs den EU-Verfassungsvertrag abgelehnt, so hätte sie ihn zwischenzeitlich doch angenommen, um sich am Ende einfach zu enthalten. Einerseits trete die Partei gegen Sozialabbau und für den Sozialstaat ein, andererseits begrüße sie Liberalisierungen der Wirtschaft und Privatschulen. Besonders stößt der Linken auf, daß sich die ADR für eine strikte Ausländerpolitik einsetzt.

So sei es „bedenklich“, daß die Partei den „Mißbrauch des Asylrechts“ durch „Wirtschaftsflüchtlinge“ thematisiere und für die Schaffung von Auffanglagern eintrete. Auf nationaler Ebene trete die ADR zudem dafür ein, das Wahlrecht luxemburgischen Staatsbürgern vorzubehalten. „Damit verkennt die Partei nicht nur die gesellschaftliche Realität in Luxemburg, sondern schürt auch nationalistische Ressentiments in den Teilen der Bevölkerung, die sich in der Politik der Regierung nicht wiederfinden und sich unverstanden fühlen. Mit der Schaffung eines künstlichen Gegensatzes zwischen Luxemburgern und Ausländern kann auch latenter Rassismus gefördert werden, der die Gesellschaft nur unnötig spaltet“, heißt es in einer von der „Union Nationale des Etudiant-e-s du Luxembourg“ verbreiteten Stellungnahme.

Doch solche Kritik tut der Beliebtheit beim Stammpotential der Partei keinen Abbruch. Bei den Chamberwahlen 2009 erhielt die ADR über acht Prozent und sitzt seitdem mit vier Deputierten in der Chambre des Députés.

 www.adr.lu

Foto: ADR-Wahlplakat: Nicht nur für ein starkes Luxemburg, sondern auch für Freiheit, Identität und Leistung

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