© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die Staufer-Ausstellung in Mannheim geht zu Ende, ohne wirklich breites Interesse gefunden zu haben, weit entfernt von der Resonanz des „Stauferjahrs“ 1977. Damals flammte sogar der alte Streit über Sinn und Unsinn der mittelalterlichen Italienpolitik wieder auf, Baden-Württemberg reklamierte voller Stolz seine Stammdynastie, die Linke witterte restaurative Absichten, in jedem Fall hatten die (West-)Deutschen das Gefühl, das gehe sie etwas an. Nichts davon heute, was man weder dem Thema noch der Präsentation zuschreiben möchte, kaum dem Desinteresse an Historischem (das ist massenhaft), eher dem wachsenden Abstand zwischen uns und unserer Vergangenheit und dem Austreiben von Identität.

Es gibt so etwas wie die natürliche Parteinahme des Konservativen für das Militär und gegen die Politik. So auch im Fall des abberufenen Gorch-Fock-Kommandanten. Wer zurückschaut auf die „Affären“ Kießling, Schultze-Rhonhof, Günzel hat zumindest das Gefühl, daß ihn sein Instinkt selten trog.

Bismarck: „Was sind Verträge, wenn man muß?“

Zu den Neuerwerbungen des Bode-Museums gehört die Plastik eines Falken aus dem staufischen Sizilien, nicht so filigran wie die berühmte Figur des Metropolitan Museum in New York, gedrungener, aber wie sein Gegenstück expressiv, reduziert auf das Wesentliche. Auch das ein Hinweis auf das Unmittelalterliche an Friedrich II., das irritierend Moderne. Hinter dem Falken steht ein Büstenfragment, die Gesichtspartie teilweise zerstört, das vielleicht den Kaiser darstellen sollte, und das auch nicht mittelalterlich wirkt, sondern antik.

Man gönnt den Tunesiern ihre friedliche Revolution, auch daß keine islamistische Machtübernahme droht, sieht die Fernsehbilder von einer Metropole, die denen im europäischen Teil des Mittelmeerraums sehr weitgehend gleicht. Die Eindrücke sind aber auch zwiespältig. Deutlicher: Wenn man etwa die Beschreibungen Friedrich Georg Jüngers von seiner Tunis-Reise Anfang der siebziger Jahre liest, wird wieder das Tempo deutlich, in dem alles andere verschwindet. Man kann sich die Beschwerlichkeit der Reise kaum noch vorstellen, die sinnfällige Distanz zur Heimat, die Szenen auf dem Basar, die Jünger schilderte, mit den bresthaften, verkrüppelten, blinden Bettlern, der selbstverständlichen Barmherzigkeit, der jüdischen Händlerin, mit der um alles und jedes gefeilscht wird, die dunklen Gänge und verbotenen Straßen, ein touristisch unerschlossenes Karthago und die letzten weißen Siedler dazwischen mit ihrer Grenzermentalität.

Bildungsbericht in loser Folge V: Also keine neue Sarrazin-Debatte. Der Rückzug von Frau Sarrazin ist verständlich, man kann ihren Entschluß nachvollziehen, sich zum Schuljahresende beurlauben zu lassen und dann in den Ruhestand zu treten. Es geht da wieder eine aus der Generation, die den großen Umbruch miterlebt und anfangs mitgetragen hat, all das, was unter „Öffnung des Bildungssystems“, „Chancengleichheit“, „Demokratisierung der Schule“ fiel, zu Beginn wenig und dann Stück für Stück begriffen hat, wohin das alles führen mußte: Analphabetisierung, Senkung der Maßstäbe, Gleichmacherei, Unmöglichkeit der Beschulung ganzer Klassen, Vorherrschaft von pädagogischen Roßtäuschern und Schaumschlägern im Bündnis mit der Bürokratie, Dokumentationswahn, Zermürbung der Aufrechten, Einzug der Jüngeren, Belastbaren, Unverbrauchten, Willigen, die nicht abgelenkt werden: vom irritierenden Vergleich mit dem Früher.

An der Diskussion über das angespannte Verhältnis zwischen Männern und Frauen auf der Gorch Fock irritiert vor allem, wie sorgsam jeder vermeidet, die Grundsatzfrage zu stellen, was Frauen auf einem Schiff der Kriegsmarine zu suchen haben.

Nach langen Jahren ein Besuch in der Kaisergruft des Speyrer Doms. Die Atmosphäre kontrastiert merkwürdig mit der des betriebsamen und aufgehübschten Städtchens. In der Krypta ist es still, immer eindrucksvoll am Zugang die Grabplatte Rudolf von Habsburgs mit seinem Bildnis, die Symbole der Macht treten deutlich zurück hinter dem physiognomischen Eindruck, dem hageren Kopf, der scharf vorspringenden Nase. Dann die Sarkophage der Staufer in den Nischen und auf dem oberen Absatz dicht nebeneinander gestellt, schlicht, nur mit einem Kreuz versehen. Irgendjemand hat Blumen auf den des unglücklichen Philipp von Schwaben und der Kaiserin Beatrix gelegt, zweite Gemahlin Friedrich Barbarossas. Das wirkt anrührend, ist kaum als Ausdruck dynastischer Anhänglichkeit zu werten, eher Zeichen individueller Sympathie. Ähnliches gilt für die Blumen, die man niedergelegt sieht am Sarkophag Friedrichs II. in Palermo oder am Grab des Prinzen Louis Ferdinand in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 18. Februar in der JF-Ausgabe 8/11.

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