© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Lockerungsübungen
Bundeswehr außer Kontrolle
Karl Heinzen

Geöffnete Feldpostbriefe, ein Schießunfall mit Todesfolge in Afghanistan, mysteriöse Ausbildungspraktiken auf dem Segelschulschiff der Deutschen Marine: Karl-Theodor zu Guttenberg steht unter Druck, und es sind nicht nur die notorischen Miesepeter der Opposition, die den Nimbus des einzigen Regierungspolitikers vom Format eines TV-Stars beschädigen wollen.

Der Sturz des Ministers über diese zu Affären aufgebauschten Vorfälle darf jedoch als unwahrscheinlich gelten, und daher vermag er die Gegenwehr gegen die Vorwürfe in aller Gelassenheit zu leisten. Parlament und Öffentlichkeit können von ihm, so seine Argumentation, schließlich nur die Informationen verlangen, über die er selber verfügt. Gelangen sie auf den langen und verwinkelten Meldewegen der Bundeswehr nicht oder nur gefiltert zu ihm, so müsse man hier sicherlich für eine Verbesserung sorgen. Diese sei aber längst auf den Weg gebracht.

So gewohnt souverän diese Ausflüchte auch klingen, so wenig können sie überzeugen. Die Bundeswehr steht, wenn sich einzelne ihrer Angehörigen etwas zuschulde kommen lassen, stets als Ganzes im Kreuzfeuer der Kritik. Seiner Verantwortung als oberster Dienstherr kann der Verteidigungsminister daher nur gerecht werden, wenn er zu jedem Zeitpunkt in Echtzeit lückenlose Aufklärung über alles erhalten kann, was seine Untergebenen tun oder unterlassen. Die Voraussetzungen für eine derartige Transparenz sind nicht vorhanden, und zu Guttenberg hat entgegen allen vollmundigen Ankündigungen auch keine Anstöße gegeben, um sie herzustellen.

Erforderlich wäre dazu die Aufstellung eines Personallagezentrums, das die Aktivitäten aller Bundeswehrangehörigen permanent aufzeichnet und überwacht. Da sie ihrem Selbstverständnis nach rund um die Uhr im Dienst sind, dürfte ihr sogenanntes Privatleben davon nicht ausgenommen werden. Über technische Hilfsmittel wie elektronische Fußfesseln hinaus ist eine Denunziationskultur zu etablieren, in der jeder auf den anderen aufpaßt und Verdächtiges meldet. Wer nicht will, daß die Bundeswehr zu einem Staat im Staate wird, darf diesen Aufwand nicht scheuen. Von jedem unbescholtenen Staatsbürger in Uniform wiederum darf verlangt werden, daß er Verständnis für diese Vorsichtsmaßnahme der Gesellschaft aufbringt.

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