© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Der Abtrünnigkeit folgte das Strafgericht
Vor 150 Jahren vollzogen die ersten Südstaaten die Sezession und gründeten die „Konföderierten Staaten von Amerika“
Jan von Flocken

Der Süden tat den ersten Schuß. Am 12. April 1861 feuerten Geschütze auf die Bundesfestung Fort Sumter im Hafen von Charleston (South Carolina). Damit war durch einen feindseligen Akt der bis 1865 tobende Bürgerkrieg in Nordamerika entfesselt. So steht es in vielen Geschichtsbüchern. Und weil bis heute Sieger die Historie schreiben, ist auch dies eine subtile Verdrehung von Ursache und Wirkung, von Aktion und Reaktion.

Tatsache bleibt, daß der Bundesstaat South Carolina im Dezember 1860 seinen Austritt aus den „Vereinigten Staaten von Amerika“ erklärt hatte. Dies erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Staatsparlaments einstimmig mit 169 Stimmen und stand im Einklang mit der US-Verfassung von 1787. Während der folgenden fünf Wochen vollzogen weitere Bundesstaaten des Südens diesen Schritt: Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana und Texas. Die gewählten Volksvertreter dieser Staaten trafen sich am 4. Februar 1861 in Montgomery (Alabama) und erarbeiteten eine Verfassung der „Konföderierten Staaten von Amerika“ (CSA), die große Ähnlichkeit mit der alten US-Konstitution aufwies. Zum Präsidenten wählte man am 9. Februar den Senator von Mississippi Jefferson Davis. Dieser profilierte Politiker mit militärischer Erfahrung bildete zehn Tage später sein Kabinett. Finanzminister wurde übrigens Christoph G. Memminger, Einwanderer aus dem württembergischen Vaihingen.

Sowohl die Eröffnungsansprache von Präsident Davis vor dem CSA-Kongreß vom 18. Februar als auch seine politische Grundsatzrede daselbst vom 29. April 1861 sind bis heute in Deutschland nicht vollständig publiziert. Dabei finden sich darin in prägnanter Kürze all jene Argumente, welche den Süden zum Verlassen der Union bewogen. Davis ging es vor allem darum, „die wahre Natur der Verfassung klarzumachen: als einen Vertrag zwischen unabhängigen Staaten“.

Die Souveränität der nordamerikanischen Einzelstaaten bestand wesentlich früher als jene der USA. Nach Ratifizierung der Verfassung von 1787 hatten diese Einzelstaaten einige Hoheitsbefugnisse an eine Bundesregierung delegiert, ohne auf wichtige Privilegien zu verzichten. Ausdrücklich hieß es: „Jeder Staat behält seine eigene Freiheit und Unabhängigkeit, ebenso wie seine eigene Amtsgewalt, Gerichtsbarkeit und Rechtsordnung, sofern diese nicht ausdrücklich an den Kongreß der USA abgetreten wurden.“ Daraus leitete sich das Recht der Bundesstaaten ab, „als souveräne und unabhängige Staaten all ihre Rechte wieder in Besitz zu nehmen und ihre Verbindung mit anderen Staaten der Union zu lösen“.

Dies bedeutete keineswegs einen unvermeidlichen Krieg mit den USA. Jefferson Davis betonte: „Weil wir bestrebt sind, den Frieden und den Handel mit allen Nationen zu pflegen, möchten wir Kriege vermeiden.“ Er beschrieb das Verhältnis zu den Nordstaaten als „wechselseitiges Interesse, das einen guten Willen sowie freundlichen Umgang erfordert“ und erklärte: Die Separation der Konföderierten Staaten ist weder von Aggression gekennzeichnet noch eine Folge inneren Aufruhrs.“ Doch gerade in Fragen der Wirtschaft deutete sich von vornherein ein bereits lange schwelender Konfliktherd an. Politischer Anlaß der sogenannten Sezession der Südstaaten war die Wahl des Republikaners Abraham Lincoln zum US-Präsidenten sowie dessen Haltung zur Sklavenfrage. Im Wahlkampf hatte er sich zwar moderat geäußert, war sogar „dagegen, daß zwischen der schwarzen und der weißen Rasse in irgendeiner Form soziale oder politische Gleichheit herbeigeführt“ werde. Doch Lincoln umgab sich mit einem Beraterstab aus radikalen Sklavereigegnern.

Der Süden aber meinte, auf Eigentum an Sklaven nicht verzichten zu können. Immerhin erarbeitete seine agrarische Wirtschaft (Baumwolle, Reis, Zucker, Tabak und Erdnüsse) 1860 fast siebzig Prozent des Exportvolumens der USA. „Hat es je ein Volk gegeben, sei es zivilisiert oder wild, das mit menschlichen oder göttlichen Argumenten dazu hätte überredet werden können, freiwillig ein Vermögen von zwei Milliarden Dollar aufzugeben?“ fragte der Senator von South Carolina James H. Hammond.

Genau das aber wurde jetzt verlangt. Schon in den Jahren zuvor hatte die Bundesregierung durch rigide Schutzzölle die einheimische auf Konsumgüter ausgerichtete Industrie im Norden protegiert. Nach der Wirtschaftskrise von 1857 sollte diese gegen billige Importe aus Europa abgeschirmt werden. Für den Süden verteuerten sich dadurch jedoch auch die Preise für die nun ausschließlich aus dem Norden importierten Industriegüter. Anderseits, und das war noch entscheidender, widersprach jede protektionistische Politik der auf Freihandel ausgerichteten Exportpolitik der Südstaaten.

Dabei verfügten lediglich 27 Prozent der Bevölkerung im „Dixieland“ über Sklaven. Mit Recht fragt der US-Historiker James McPherson, einer der besten Kenner dieser Materie: „Welches Interesse aber konnten Weiße, die gar keine Sklaven besaßen, an diesem Kreuzzug für die Privilegien der Plantagenbesitzer haben?“

Es waren schlicht die Belange der individuellen Freiheit. McPherson gab seinem Werk über den Bürgerkrieg den ambivalenten Titel „Battle Cry of Freedom“ (deutsche Ausgabe: „Für die Freiheit sterben“). Denn die Freilassung der Negersklaven bewegte die Nordstaatler genauso wie das Streben nach staatlicher und individueller Freiheit die Weißen im Süden.

Häufig wird übersehen, daß die Sezession in zwei Etappen erfolgte. Bis April 1861 blieben North Carolina, Tennessee, Arkansas und vor allem Virginia als ökonomisch und als politisch bedeutendster Staat des Südens der Union erhalten. Erst das aggressive Verhalten Abraham Lincolns nach seinem Machtantritt Anfang März 1861 trieb diese Staaten auf seiten der Konföderation.

Für die Erhaltung der Union war Lincoln bereit, über Leichen zu gehen, wie er denn überhaupt als Säulenheiliger der Demokratie wenig taugt. Seine Amtszeit war geprägt von Verfassungs- und Gesetzesbrüchen. Auch die Sklavenfrage diente ihm lediglich als Vehikel, um den Süden niederzuwerfen. Bis dato galt auch im Bürgertum der Nordstaaten eher die pragmatische Bemerkung des ehemaligen US-Präsidenten Thomas Jefferson: „Die Beibehaltung der Sklaverei ist so, als ob man einen Wolf an den Ohren festhält: Man fühlt sich nicht wohl dabei, wagt aber auch nicht, ihn loszulassen.“

Die Hoffnung von CSA-Präsident Davis, „daß der Beginn unseres Werdegangs als Konföderation nicht von feindseligem Widerstand blockiert werden möge“, wurde acht Wochen später bitter enttäuscht. Lincoln entsandte mit Soldaten bemannte Kriegsschiffe zur Bucht von Charleston, um das dortige Fort Sumter zu verstärken; was zu diesem Zeitpunkt etwa gleichbedeutend war, als wenn die Franzosen eine Festung in der Londoner Themse-Mündung installiert hätten. Zudem deutete das offenbarte Muskelspiel des Nordens mit seinen Marinekräften eine künftige Blockade der für den Export lebenswichtigen Häfen des maritim schutzlosen Südens an. South Carolina mußte schnell und entschlossen handeln, sollte die Sezession nicht gleich zu Beginn scheitern. Daraus resultierte dann die erwähnte Beschießung des Forts, die übrigens keinen einzigen Kombattanten das Leben kostete.

Der US-Präsident rief nun 7.000 Milizionäre zu den Waffen. Virginia und die restlichen südlichen Bundesstaaten verließen die Union. Es begann der blutigste Krieg in der gesamten Geschichte der USA, in dem sich von Anfang an der wirtschaftsstarke und viel bevölkerungsreichere Norden in einer besseren Ausgangsposition befand.

Foto: Konföderierten-Präsident Jefferson Davis vor Baumwollfeld und Flagge der Südstaaten, die Beschießung Fort Sumters, US-Präsident Abraham Lincoln vor Fabrik und Flagge der Nordstaaten: Subtile Verdrehungen

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