© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Falcos Zeit
VW Golf, Miami Vice und Schulterpolster: die Achtziger surfen auf einer Retrowelle
Toni Roidl

Für Leute mittleren Alters sind die 1980er Jahre „die gute alte Zeit“ – für Jugendliche sind sie ein faszinierender Mythos. Achtziger-Partys mit Titeln wie „Musik als Du noch zuhause gewohnt hast“ sind landauf, landab immer noch ein Publikumserfolg. Und dieses Publikum besteht keinesfalls nur aus 40jährigen, die für einen Abend ihrer Jugend hinterhertrauern. Selbst Heranwachsende Jahrgänge der 1990er fortfolgend finden die Achtziger kultig und zelebrieren ihre Beschwörung mit authentischen Accessoires wie Digital-Armbanduhr, Lacoste-Hemd und Tommy-Ohrner-Gedenkfrisur.

Warum eigentlich? War man nicht froh, als die Achtziger endlich vorbei waren? Mit ihrer unsäglichen Mode, die alle Menschen dank dicker Schulterpolster dreieckig aussehen ließ? Mit ihrer klinisch-kalten Wohngestaltung nach dem Motto „Hauptsache chromglänzend und ungemütlich“? Und mit ihrer bescheuerten Angst vor allem möglichen, von Atomtod bis Waldsterben? Einerseits. Andererseits waren die Achtziger auch bunt und aufregend. Der Hippie-Mief der Beatles-Ära war gottseidank verzogen – Moët statt Marx, Alessi-Design statt Matratzengruft hieß die Parole.

Statt Konkret-Bleiwüsten und RAF-Pamphleten revolutionierte nun das erste Lifestyle-Magazin Tempo die Lesegewohnheiten. Anrufbeantworter sind plötzlich das Symbol des technischen Fortschritts für jedermann. Auch wenn der Walkman schwer wie ein Ziegelstein ist, dünkt sich sein Träger stolz auf der Höhe der Moderne. Im Fernsehen sorgen Serien wie „Miami Vice“ auch ganz ohne LSD für einen Farbenflash. Und alle Kinder lieben das Knuddelmonster Alf.

Es gibt „Yuppies“ und „Popper“, „New Romantics“ und „Grufties“. „HipHop“ heißt noch umständlich „Breakdance“ und ist kaum bekannt. Die Popmusik ist innovativ, die deutsche Sprache hält Einzug in die Hitparade. Man denke an die Neue Deutsche Welle. Es gab Geniestreiche à la Falco und grausame Betriebsunfälle à la Limahl. Ob man das alles toll oder schrecklich findet – die Achtziger waren die letzte Dekade, die einen eigenen, originären Stil prägte. Seitdem folgt in immer kürzeren Salven ein Revival auf das andere. An den Zeitgeist der Neunziger wird sich kaum jemand erinnern können.

Aber das ist nicht die einzige Erklärung für die Achtziger-Nostalgie. Die präglobalisierten Achtziger boten Überschaubarkeit und Sicherheit: Die zwei Machtblöcke mit ihrer Grenze durch Deutschlands Mitte schienen unverrückbar, gut und böse übersichtlich sortiert. Die CDU war noch konservativ, die D-Mark stabil, die Grünen kamen einer politischen Sekte gleich, die Ausländer waren Gastarbeiter. Es gab polarisierende Politiker wie den bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Und an Überkanzler Helmut Kohl konnten sich alle Kritiker so schön reiben, daß sie ihn bis heute vermissen.

Hinter der regelmäßigen Reanimation der Achtziger steckt die Sehnsucht nach einer geordneten Welt. Nach einer Gesellschaft ohne Islamisierung und EU-Zentralismus, ohne Dschungelcamp und Tarifdschungel. Das periodisch wiederkehrende Reminiszere dient aber auch der eigenen Selbstvergewisserung der Geburtsjahrgänge von 1965 bis 1975, die Florian Illies im Rückblick als „Generation Golf“ (Frankfurt 2000) beschrieben hat – modebewußt, unpolitisch, markenorientiert und hedonistisch. Der „Golf“ von Volkswagen wurde so zum Symbol einer ganzen Wohlstandskindergeneration.

 www.achtziger.de

Foto: Falco: Der österreichische Musiker hatte in den Achtzigern Kultstatus mit seinem Titel „Rock Me Amadeus“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen