© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Spur der Gewalt durch Berlin
Linksextremismus: Die Räumung eines besetzten Hauses in der Liebigstraße sorgt für Krawall
Lion Edler

Eigentlich geht es nur um die Räumung eines Wohnhauses in der Berliner Liebigstraße 14. Doch wenn in der Hauptstadt ein linkes Wohnprojekt auf richterlichen Beschluß geräumt und damit das Recht durchgesetzt wird, drohen bürgerkriegsähnliche Zustände. 2.500 Polizisten mußte der Berliner Senat in der vergangenen Woche aufbieten, um 25 Hausbesetzer auf die Straße zu setzen. Die Behörden waren gewarnt: Bereits im Vorfeld der Räumung waren bei massiven Ausschreitungen 40 Polizeibeamte verletzt worden, und die linksextreme Szene hatte mit weiterer Gewalt gedroht (JF 6/11).

Als am Mittwoch vergangener Woche um 8 Uhr schließlich die Räumung von „Liebig 14“ im Stadtteil Friedrichshain ansteht, harren dort bereits seit Stunden etwa 100 Demonstranten aus, die offenbar die Nacht durchwacht haben. Doch in die Nähe des seit 1990 besetzten Hauses, das weiträumig abgesperrt ist, kommen sie nicht. Mit Trommeln und Blasinstrumenten wollen einige Linke ihren Mitstreitern lautstark Mut machen. „Keine Gentrifizierung! Liebig 14 erhalten!“, steht auf einem Transparent, das drei Jugendliche in die Höhe halten.

Friedlich bleibt es auch heute nur bis zum Vormittag, dann werden die Polizisten von Linksextremisten immer wieder mit Flaschen, Steinen und Chinaböllern beworfen, die ersten Beamten werden verletzt. Schließlich verlagern die Gewalttäter ihre Proteste. Etwa 1.000 Demonstranten blockieren immer wieder die nahe gelegene Hauptverkehrskreuzung am Frankfurter Tor, auch in den umliegenden Straßen kommt es zu Blockaden und Übergriffen.

Unterdessen kommen die Polizisten mit der Räumung des Hauses, das sie in völlig verwahrlostem Zustand vorfinden, nur langsam voran. Die Besetzter haben ihre Drohung wahr gemacht, daß man das Gebäude „nicht besenrein übergeben“ wolle. Mehr noch: Um der Polizei den Zugang zu erschweren, wurde die Treppe im Treppenhaus herausgerissen. Die Beamten berichten zudem von gefährlichen Stromfallen, außerdem wurde ein Stockwerk unter Wasser gesetzt.

Auch als das Haus schließlich geräumt ist, gehen die Krawalle weiter. Gegen 19 Uhr sammeln sich am Boxhagener Platz, einer Hochburg der Linksextremisten in Friedrichshain, Horden von schwarz gekleideten Vermummten. Langsam formiert sich ein Demonstrationsblock, Flaggen der Antifa und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend sind zu sehen. Dann setzt sich der Zug in Bewegung, um seinen Frust über die  Räumung zu entladen.

Man scheint sich als legitime Sprecher aller Berliner zu sehen – wie sollte es auch anders sein, wenn sich niemand ihnen entgegenstellt? Also donnert die Menge in den Nachthimmel: „Ganz Berlin haßt die Polizei!“ Man ahnt, daß hier auch psychologische Kriegsführung im Gange ist, die wohl nicht ohne Wirkung auf die Beamten bleibt. Doch der Protest gegen die Hausräumung wird auch verbunden mit anderen Themen. „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt“, ruft die Menge, ein Mann plädiert auf einem Schild für „Cannabis statt Fleisch“.

Als der Demonstrationszug in die Warschauer Straße abbiegt, wird die Stimmung ungemütlich. Polizisten zertreten auf dem Boden liegende Flaschen, um potentielle Wurfgeschosse schon im voraus unschädlich zu machen, doch gegen den gewaltbereiten Mob ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Wieder fliegen Flaschen und Feuerwerkskörper auf Polizisten, gleichzeitig werden bei der Mehrzweckhalle „O2 World“ Scheiben eingeschmissen und zahlreiche Berliner Bankfilialen angegriffen. Die Bilanz des Tages: 61 verletzte Polizisten, 82 Festnahmen und ein erheblicher finanzieller Schaden, da „auf jeden Fall mehr kaputtgegangen“ sei als bei den traditionellen Ausschreitungen am 1. Mai, wie Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch mitteilte. Aber nicht nur in Berlin kommt es zu Randale. In Hamburg etwa versammeln sich bei einer Solidaritätskundgebung rund 450 Demonstranten vor dem linksextremen „Kulturzentrum“ Rote Flora, zünden Mülltonnen an und greifen Polizisten an. Auch in Göttingen und weiteren Städten demonstrieren Linksextremisten. Freitag nacht dann bricht der Terror abermals über Berlin herein. Zahlreiche Schaufenster- und Autoscheiben werden zerstört, nachdem sich etwa 200 Personen in Berlin-Mitte zu einer unangemeldeten Kundgebung versammelten. Als die Kundgebung aufgelöst wird, hat die Polizei bereits Vermummungsutensilien und vier Messer gesichert.

Die politischen Reaktionen auf die Räumung der Liebigstraße und die Ausschreitungen fallen unterschiedlich aus. Der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hattet die Hausräumung im Vorfeld als „pervers“ bezeichnet und stand den Besetzern während der Räumung zur Seite. Die grüne Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst, Renate Künast, bezeichnete dagegen, wohl auch mit Blick auf die Stimmung in der Stadt, die Räumung als rechtens. Ihr Parteifreund, der zuständige Bezirksbürgermeister Franz Schulz hatte zuvor noch den Hauseigentümern die Schuld an der Eskalation gegeben. CDU-Fraktionschef Frank Henkel fordert unterdessen „politische, juristische und gesellschaftliche“ Konsequenzen. Die Randalierer müßten „mit aller Härte strafrechtlich verfolgt werden“.

Foto: Polizei während der Räumung der Liebigstraße 14: Blockaden und Übergriffe in ganz Friedrichshain

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