© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Widerstand gegen die Verketzerung
Michael Müllers lesenswerte Streitschrift tritt der Verunglimpfung der katholischen Kirche entgegen
Ansgar Lange

Sind Priester Kinderschänder?“ Diese und andere provokative Fragen stellt der katholische Publizist Michael Müller in seinem neuen Buch „Kirche, Papst und Glaube“, das in der Reihe „Klartext und Klischees“ erschienen ist und Fragen beantworten, Irrtümer und Mißverständnisse geraderücken möchte. Müller ist Herausgeber des Magazins Komma, mit dem er Themen wie Islamisierung, Linksruck, ideologischer Kampf gegen Kirche, Papst und Familie, Gender-Mainstreaming, Abtreibung und Euthanasie etc. besetzt. Die in Aachen ansässige Redaktion will Flagge zeigen, kämpfen und Widerstand leisten. Komma erscheint im MM-Verlag, der wiederum Bücher konservativ-christlicher Autoren wie Erik von Kuehnelt-Leddihn, Christa Meves oder Wolfgang Ockenfels verlegt.

In seinem Vorwort macht Müller deutlich, daß viele Menschen Probleme mit der katholischen Kirche haben. Er gibt zu, daß es nicht immer leicht sei, mit der Kirche und dem christlichen Glauben „klarzukommen“. Aus diesem Grund hat er sein kleines Büchlein geschrieben. Es will Kirche und Glauben erklären – und zwar mit einfachen Worten, anschaulichen Beispielen und griffigen Argumenten. Der Autor beschäftigt sich mit der Gottesfrage, mit Jesus Christus, der Kirche als göttlicher Stiftung, dem Leben in der Kirche, der katholischen Sexualmoral, Macht und Reichtum der Kirche, der Rolle Marias, der Ökumene und dem interreligiösen Dialog und verschiedenen anderen Themen.

Langeweile kommt nie auf, da Müller sein Werk in 13 handliche Kapitel untergliedert hat. Zu Beginn dieser Kapitel finden sich immer provokante und „tabulose“ Fragen von Menschen, die ihre Probleme mit Kirche und Glauben haben. Anschließend versucht der Verfasser, diese Fragen zu beantworten. Dies gelingt ihm zu großen Teilen sehr überzeugend, knapp und allgemeinverständlich.

Insbesondere auf dem Feld der Sexualmoral messen zahlreiche „fortschrittliche“ Zeitgenossen mit zweierlei Maß. So wird der Zölibat bei katholischen Priestern als widernatürlich herausgestellt – während man sich beim enthaltsam lebenden Dalai Lama nicht daran stört. Auch in punkto Aids spielt man der Kirche oft übel mit und verleumdet sie. Dies sei das Thema für Heuchler und Verdreher, schreibt Müller, denn: „Selbstverständlich empfiehlt die Kirche die Benutzung von Kondomen, wenn einer der Ehepartner HIV-infiziert ist. Was den außerehelichen Sexualkontakt betrifft, so ist die Benutzung eines Kondoms das kleinere Übel, um nicht auch noch den Ehepartner zu gefährden. Die Äußerungen des Papstes werden ständig so interpretiert, als würde er Menschen, die in Swingerclubs gehen, auffordern, auf Kondome zu verzichten.“ Der Vorwurf, die Kirche sei beim Thema Aids völlig ahnungs- und verantwortungslos, läuft schon deshalb ins Leere, weil zirka ein Viertel der Aids-Kranken auf der ganzen Welt in katholischen karitativen Einrichtungen versorgt werden.

Den Schauermärchen über vermeintlich unermeßlichen Reichtum der Kirche hält der Buchautor entgegen, daß die katholische Kirche (Stand Oktober 2009) aktuell und international 5.378 Krankenhäuser und 18.088 Krankenstationen, 521 Leprastationen, 15.448 Alten-, Pflege- und Behindertenheime, 9.376 Waisenhäuser, 11.555 Kindergärten und rund 200.000 vorschulische und schulische Einrichtungen, 13.559 Eheberatungsinstitute sowie 10.356 sonstige karitative Institute unterhält.

Auch das im vergangenen Jahr stark diskutierte Thema Kindesmißbrauch kommt zur Sprache. Müller bestreitet, daß es einen Zusammenhang gibt zwischen Zölibat und Kindesmißbrauch. Dies behaupten Kirchenkritiker immer wieder, weil ihnen diese ihnen fremde Lebensweise einfach als äußerst anstößig und nicht tolerabel erscheint. Überspitzt könnte man sagen: Mittlerweile tolerieren wir alle möglichen sexuellen Abarten, nur den sexlosen Zölibat können wir nicht ertragen und dulden.

Müller macht deutlich: Ein Pädophiler wird nicht dadurch von seiner Neigung befreit, daß er seine Sexualität in einer normalen Beziehung mit einer erwachsenen Frau ausleben kann. Denn daran hat er kein Interesse. Und Alice Schwarzer weist darauf hin, daß drei von vier Tätern Väter, Onkel und Nachbarn sind – und nicht etwa zölibatär lebende Priester. Entgegen der medialen Propagandamaschinerie ist die katholische Kirche auch die einzige Institution, die Leitlinien für den konkreten Umgang mit Tätern und Opfern erarbeitet hat, die bereits beim Verdacht auf Mißbrauch greifen. „Protestantische und säkulare Organisationen besitzen solche Richtlinien leider nicht. Dabei wären sie dringend nötig und wünschenswert“, schreibt Müller.

Bestimmten Kreisen der linksliberalen Schreibzunft darf man wohl generell ein ehrliches Interesse am Kampf gegen den Kindesmißbrauch absprechen. Dieser Verdacht liegt zumindest nahe, wenn sie seit den neunziger Jahren über den schrecklichen Kindesmißbrauch an der Odenwaldschule wußten, aber ihre Informationen aus politischer Sympathie – man könnte es auch als Kumpanei bezeichnen – für sich behalten haben, wie die jüngste interne Diskussion bei der taz zeigt. Dies verwundert nicht, wenn man zwei Sätze von Michael Mertes zu Rate zieht, die dieser vergangenen Herbst im Rheinischen Merkur schrieb: „Noch in den achtziger Jahren fanden die NRW-Grünen die Legalisierung ‘gewaltfreier’ pädosexueller Handlungen diskutabel. Heute wirft einer ihrer Repräsentanten sich selber vor, damals ‘über die strukturelle Asymmetrie der Erwachsenen-Kind-Beziehung hinwegschwadroniert’ zu haben.“

Diejenigen, die dem Papst zu Unrecht Tatenlosigkeit und Schweigen vorwerfen, sollten lieber vor der eigenen Haustüre kehren. Insbesondere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sollte sich in dieser Tugend üben, schließlich ist sie Mitglied im Beirat der „Humanistischen Union“, einem Verein, der sogar „pädophile Arbeitsgruppen“ unterstützt hat. Doch davon will man jetzt nichts mehr wissen und schlägt lieber mit der Moralkeule in Richtung katholische Kirche.

Daß nach Erkenntnissen des Kriminologen Christian Pfeiffer nur 0,1 Prozent aller Mißbrauchstäter im Dienst der katholischen Kirche stehen, dieser Eindruck ist durch eine wohl inszenierte Medienkampagne jedenfalls deutlich verzerrt worden. Indem man das Verbrechen des Kindesmißbrauchs zu einem katholischen Problem sozusagen verkleinert oder „verniedlicht“ hat, hat man den Opfern mit Sicherheit nicht geholfen. 

Müllers flüssig geschriebenes, empfehlenswertes Buch weckt die Spannung auf die weiteren Bände der Reihe „Klartext und Klischees“, die für das Frühjahr 2011 angekündigt sind.

Michael Müller: Kirche, Papst und Glaube. Fragen, Irrtümer, Mißverständnisse. Reihe „Klartext und Klischees“. MM-Verlag, Aachen 2010. 224 Seiten, 16 Euro

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