© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Haltungsnote
Erzengel Gabriel
Tilmann Wiesner

Gerade in Brandenburg, das spöttische Zungen wohl zu Recht die „kleinste DDR der Welt“ nennen, gilt die evangelische Kirche als Vorfeldorganisation der SPD. Schließlich wurde die Partei von bürgerbewegten Pastoren in einem brandenburgischen Pfarrhaus in Schwante gegründet und von einem leibhaftigen Konsistorialpräsidenten aufgebaut. Pfarrer, die sich von der linken Staatsräson im Stolpe-Land entfernen, dürften selten sein.

Der Grüneberger Pfarrer Gerhard Gabriel ist daher eine Ausnahmeerscheinung. Er stammt zwar ebenso wie viele seiner älteren Kollegen aus der DDR-Opposition – seine Schwester Katrin Eigenfeld wurde sogar vom Ministerium für Staatssicherheit inhaftiert –, hat sich aber seine geistige Unabhängigkeit bewahrt.

Als SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei kürzlich in Brandenburg gegen die Extremismusklausel der Bundesregierung wetterten, die vor linksextremistischen „Antirechtskämpfern“ schützen soll, empörte sich der 60jährige Träger des Bundesverdienstkreuzes. Ausgerechnet das „Netzwerk für lendige Demokratie“, dem Gabriel als Vertreter des Kirchenkreises Oberes Havelland angehört, lehnte die Demokratie-Erklärung ab. Der Linkspartei-Vertreter Reiner Tietz sprach sogar von „Gesinnungsschnüffelei“.

Gerhard Gabriel hielt in Die-Mark-Online dagegen: „Unser Staat treibt im Gegensatz zur DDR keine Gesinnungsschnüffelei.“ Ihn stoße es ab, daß gerade ehemalige SED-Genossen den Vorwurf der Gesinnungsschnüffelei vorbrächten. Letztlich gehe es darum, daß die Fördermittel nicht in falsche Hände gelangten: „Weder an vermummte Steinewerfer von links noch an ‘Volksfestorganisatoren’ von rechts darf Geld fließen“, donnerte Gabriel wie von der Kanzel und machte seinem Namen alle Ehre. Ein Erzengel!

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