© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Mehr Kinder und häufiger verheiratet
Studie I: Familienplanung mit Migrationshintergrund
Hans Christians

Die Zahl der Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland nimmt seit Jahren zu. Dies ist seit einiger Zeit nicht mehr auf eine starke Einwanderung zurückzuführen, sondern vor allem damit zu erklären, daß aus Familien mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich viele Kinder hervorgehen. Dies wird durch die nun veröffentliche Studie  „Ehe, Familie, Werte“ des Familienministeriums bestätigt.

So stammten im 2009 28 Prozent der in Deutschland lebenden Familien mit einem minderjährigen Kind aus Einwandererfamilien. Davon kamen rund 21 Prozent aus der Türkei, 13 Prozent aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion und zehn Prozent aus Polen. Generell stellt die Studie fest, daß die Zuwanderer insgesamt „familienfreundlicher“ eingestellt seien als die deutsche Bevölkerung: „Kennzeichnend sind hohe Heiratsziffern und eine vergleichsweise hohe Kinderzahl.“ Auffallend ist unter anderem auch, daß sich das Modell der „wilden Ehe“, also das Zusammenleben eines Paares ohne Trauschein, in der Gruppe der Migranten wenig Beliebtheit erfreut. Die Studie erklärt dies unter anderem damit, daß Punkte wie Familiennachzug und Aufenthaltsgenehmigungen oftmals an eine Ehe gekoppelt seien. Dieser Trend sei auch für die Zukunft zu erwarten: „Durch die anhaltende Nachfrage von Migrantinnen und Migranten der zweiten Generation nach Heiratspartnern aus den Herkunftsgesellschaften ihrer Eltern, wird Heiratsmigration in ihrer quantitativen Bedeutung in Zukunft zweifellos noch zunehmen.“

Der Kinderwunsch ist bei Migranten-Familien entgegen der allgemein verbreiteten Meinung nicht deutlich höher. Allerdings ist die Kinderlosigkeit für Migranten generell keine wünschenswerte Alternative. Bei der tatsächlichen Kinderzahl liegt die türkischstämmige Bevölkerungsgruppe vorn. 19 Prozent von ihnen haben vier oder mehr Kinder. Die Geburtenziffern von Frauen mit Migrationshintergrund liegen zu allen Zeitpunkten unter denjenigen der Referenzbevölkerung im Herkunftsland und sie gehen bei allen Nationalitäten drastisch zurück.

Nach einer Migration beginnt der Familienbildungsprozeß später und die Anzahl der geborenen Kinder pro Frau ist geringer. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß die Kinderzahl mit steigendem Bildungsniveau sinkt. Generell steigt das Alter der erstmaligen Mütter nach einer Migration fast regelmäßig an.

Ein großer Unterschied innerhalb des Wertesystems läßt sich ebenfalls feststellen. Wichtige Entscheidungen werden im Familienkreis besprochen und schließlich gemeinschaftlich getroffen. Dieser Aussage stimmen überdurchschnittlich viele Migranten zu. Immerhin ein Drittel der Einwanderer gibt an, daß die Eltern bei der Auswahl der Ehepartner ein Mitspracherecht haben sollten. Bei den befragten Deutschen stimmten hier nur fünf Prozent zu.

Und ganz auffällig: Zuwanderer haben oftmals noch ein klassisches Rollenverständnis. Für die Versorgung der Kinder sei immer noch die Frau zuständig.

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