© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Ungeliebtes Bekenntnis zum Grundgesetz
„Kampf gegen Rechts“: Während Regierung und Bundestag an der Extremismusklausel festhalten, drohen deren Gegner mit dem Gang nach Karlsruhe
Marcus Schmidt

Im Streit um die sogenannte Extremismusklausel  im „Kampf gegen Rechts“ (JF 6/11) bleiben die Fronten verhärtet. Während die Gegner der vom Familienministerium initiierten Regelung, nach der Organisationen, die staatliche Fördergelder für die Bekämpfung des Extremismus erhalten, sich schriftlich zum Grundgesetz bekennen müssen, in der vergangenen Woche mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht haben, lehnte es der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP ab, die Klausel zu streichen.

Auf Kritik stößt bei den Gegnern der Extremismusklausel vor allem, daß sich nicht nur die Träger von Projekten gegen Rechtsextremismus zum Grundgesetz bekennen müssen, sondern auch ihre potentiellen Partner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen sind. Damit soll verhindert werden, daß Linksextremisten im „Kampf gegen Rechts“ Gelder vom Staat erhalten.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte in der Bundestagsdebatte über zwei Anträge zur Streichung der Klausel davor, durch das geforderte Bekenntnis zum Grundgesetz das „Vertrauen in das demokratische Engagement der Bürger“ ins Gegenteil zu verkehren. „Darf der Staat seine Bürger einer Gesinnungsprüfung unterziehen und sie dazu verpflichten, die Gesinnung ihrer Mitbürger zu überprüfen?“

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Hermann Kues (CDU) verteidigte die Klausel und bezeichnete es als „völlig klar“, daß der Staat bei Programmen gegen Extremismus darauf achte, „daß nicht gerade diejenigen gefördert werden, die selbst in extremistischen Kategorien denken und danach handeln.“ Es könne nicht sein, daß Rechtsextreme Linksextremismus bekämpfen und umgekehrt. Kues verwies auf eine ähnliche Regelung im SPD-geführten Mecklenburg-Vorpommern, wo seit Sommer vergangenen Jahres die Betreiber von Kindergärten eine Erklärung unterzeichnen müssen, daß sie in keiner Weise Bestrebungen unterstützen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten.

Scharfe Kritik an der Klausel des Familienministeriums kam von der Linkspartei. Deren Abgeordnete Ulla Jelpke warf der Koalition vor, damit „mißliebige linke Organisationen an den Pranger“ stellen zu wollen. Als Beispiel nannte sie „die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die Rassismus und Demokratiefeindlichkeit auch in der Mitte dieser Gesellschaft, in den etablierten Parteien und in den Medien immer wieder kritisiert“.

Vor der Abstimmung im Bundestag hatten sich der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralrat der Muslime den Protesten gegen die Extremismusklausel angeschlossen. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, warf der Familienministerin eine gezielte Behinderung der Zivilgesellschaft vor und kündigte eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an, sollte die Klausel nicht zurückgenommen werden. Seiner Ansicht nach zeige ein Engagement im „Kampf gegen Rechts“ bereits, daß der Betreffende auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Der Vorstandsvorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, warnte vor einem „Bekenntniszwang“ und sprach mit Blick auf die Extremismusklausel von einem „Mißtrauensdiskurs“.

Unterstützung erhielten die Gegner der Extremismuserklärung in der vergangenen Woche durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das von Wolfgang Thierse in Auftrag gegeben worden war. Danach habe der Staat bei der Zahlung von Fördergeldern anders als bei der Verbeamtung oder einer Einbürgerung „wohl kein Recht“, ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu verlangen. Dem stehe die verfassungsrechtliche Meinungsfreiheit entgegen. „In einem Klima des Mißtrauens und der gegenseitigen Gesinnungsüberprüfung dürfte sich das Erleben von demokratischer Teilhabe kaum organisieren lassen“, lautet die Einschätzung der Gutachter.

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