© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

So schön war es bei Onkel Erich
Museum: In Bochum haben DDR-Nostalgiker eine Sammlung zusammengetragen, die ein unkritisches Bild des SED-Regimes zeichnet
Hinrich Rohbohm

In einer kleinen Stadt wird ein neues Museum eröffnet. Es nennt sich „Das Kabinett des Dritten Reiches“ und zeigt Artefakte aus der Zeit des Nationalsozialismus. SA- und SS-Uniformen, Gestapo-Mäntel, Hakenkreuz-Fahnen, Symbole aus der Hitlerjugend. Unvorstellbar? Zugegeben: Die Geschichte ist frei erfunden. Ein solches Museum gibt es nicht. Nicht erfunden ist hingegen das „DDR-Kabinett“ in Bochum, ein Museum, das unkritisch Wimpel, Fahnen und Uniformen aus der Zeit des SED-Regimes ausstellt. Der Vorsitzende des als gemeinnützig anerkannten Vereins ist der DKP-Funktionär Andreas Maluga.

 Es ist Dienstag, 18 Uhr. Um diese Zeit öffnet das DDR-Kabinett seine Pforten. Bis 22 Uhr. Zumindest steht das so in einem von dem Museum herausgegebenen Prospekt. Es ist dunkel in der Harkortstraße. Hier, bei der Hausnummer 29, soll sich das Museum befinden. Doch von DDR-Wimpeln und Fahnen ist zunächst nichts zu sehen. Stattdessen ein kleines Sportgeschäft, dessen mit Neonlicht beleuchtetes Werbeschild durch die naßkalten Nebelschwaden kaum zu erkennen ist. Erst am Seiteneingang weist ein kleines Klingelschild auf das DDR-Kabinett hin. Doch nach dem Drücken des Klingelknopfes tut sich nichts. Auch der Eingang zum Museum ist verschlossen. Ein Anruf beim Vorsitzenden Andreas Maluga bringt Klarheit. „Wir dachten, es kommt heute sowieso niemand“, begründet er die verschlossenen Türen. Eine starke Resonanz scheint das Museum noch nicht zu haben. Maluga bietet sich jedoch für eine Führung am folgenden Tag an.

Er beginnt zu erzählen. Ja, er ist DKP-Mann, daraus mache er keinen Hehl, er stehe dazu. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch der DDR hatte er begonnen, alte Uniformen des Unrechtsstaates zu sammeln. Angefangen hatte alles damit, daß ein alter „Kampfgenosse“ seine Uniformen auf den Müll werfen wollte. „Mach das nicht, dann gib sie lieber mir“, hatte Maluga gesagt. Aus der Uniform wurden Dutzende, aus Dutzenden Hunderte. Penibel aufgereiht hängen sie jetzt in der Harkortstraße im Bochumer Stadtteil Wattenscheid, zusammen mit Wimpeln, Orden, Flaggen und Bildern alter SED-Größen.

Auch die DDR-Grenztruppen werden hier gewürdigt. Jene Einheiten, die für die Erschießung zahlreicher Flüchtlinge aus dem vermeintlichen Arbeiter- und Bauernparadies verantwortlich waren. Nach Ansicht von Maluga haben die Grenzsoldaten jedoch nur ihre Pflicht getan.

Man könnte das „DDR-Kabinett“ als unbedeutendes Museum für unbelehrbare DDR-Nostalgiker abtun. Doch so einfach ist das nicht. Denn das Kabinett versucht auch Schulklassen für einen Besuch zu gewinnen, um mit seinen geschichtsrevisionistischen, den DDR-Staat beschönigenden Ansichten Kinder und Jugendliche zu beeinflußen. Ein Lehrer des ortsansässigen Gymnasiums hat mit seiner Klasse dem Museum bereits einen Besuch abgestattet. Maluga erwähnt den Pädagogen bei seiner Führung. Es ist der Geschichtslehrer Heinz-Werner Kessler. Dieser hatte im vergangenen Jahre einen Gedenktag zum  9. November 1938 mitorganisiert und dabei offenbar auch mit linksextremistischen Antifaschisten zusammengearbeitet. „An unserer Schule hat eine antifaschistische Grundhaltung Tradition“, wird der 60jährige von einer regionalen Zeitung zitiert. Im Internet lassen sich Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen Antifaschistischer Bewegung und der von DKP-Mitgliedern durchsetzten „Sozialen Liste“ in Bochum finden.

Doch anders als Maluga scheint Kessler sich eine gewisse Distanz zur DDR bewahrt zu haben. So schreibt er in einem Blog zum Schießbefehl an der Grenze: „Ich empfinde es als bildungspolitischen Skandal, daß über den Schießbefehl und dessen Opfer so wenig – vielfach gar nichts – in unseren Geschichtsbüchern steht.“ Und: „Wie kann hier überhaupt eine kritische Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte stattfinden, wenn unserer Jugend solche zentralen Informationen von Lehrbuchautoren vorenthalten werden?“ Auch Maluga spricht davon, daß sich Kessler während des Museumsbesuchs durchaus kritisch geäußert habe.

Ein bitterer Nachgeschmack bleibt, wenn ein Lehrer seine Schulklasse in ein von Linksextremisten betriebenes Museum lotst, das die DDR-Vergangenheit verklärt. Der Schulleiter des örtlichen Gymnasiums „Märkische Schule“, Alfred Pieper-Eiselen, zeigt sich denn auch überrascht. Das 59 Jahre alte Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft habe vom „DDR-Kabinett“ bisher noch nichts gehört, versichert er der JUNGEN FREIHEIT. „Wenn er kritisch aufbereitet wird, kann so ein Besuch sinnvoll sein“, meint er. Grundsätzlich müßten solche Exkursionen aber von der Schulleitung genehmigt werden. Ob er eine solche Genehmigung erteilt habe, wisse er nicht genau. Pieper-Eiselen will jetzt das
Gespräch mit seinem Kollegen suchen und prüfen lassen, inwiefern der Museumsbesuch genehmigt war. Auch bei den Eltern besteht offenbar noch Aufklärungsbedarf. „Von einem DDR-Kabinett habe ich noch nie etwas gehört, auch vom Besuch einer Schulklasse dort weiß ich nichts“, sagt
Schulelternratsvorsitzender Michael Kopsch und will sich darüber jetzt „erst einmal kundig machen“. Das scheint dringend erforderlich: Demnächst will eine Wattenscheider Realschule dem „DDR-Kabinett“ einen Besuch abstatten.

Wie dringend eine Auseinandersetzung mit den Bochumer DDR-Nostalgikern ist, zeigt ein Blick ins Internet. Die Seite des „DDR-Kabinetts“ verlinkt zu zahlreichen linksextremistischen Institutionen und Publikationen wie zur Tageszeitung Junge Welt, zum Ex-SED-Organ Neues Deutschland sowie zum Antifa-Verlag GNN. Ebenfals empfohlen werden die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals sowie die Netzseiten ehemaliger Stasi-Agenten, „Kundschafter des Friedens“ und „MfS-Insider“. Auch wird zur Edition Ost verlinkt, einem 1991 gegründeten Buchverlag, dessen Autoren überwiegend hohe Ämter innerhalb des Ministeriums für Staatsicherheit bekleidet hatten und dessen Verlagsprogramm selbst in der linksliberalen Wochenzeitung Die Zeit als „Lob- und Jubelschriften für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS)“ bezeichnet wurde. Darüber hinaus verlinkt das „DDR-Kabinett“ zur DKP-Zeitung Unsere Zeit sowie zur kommunistischen Zeitschrift Rotfuchs.

Auch die „Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde“, die 1991 ins Leben gerufen wurde und der zahlreiche SED-Altkader angehören sollen, ist mit einem Verweis vertreten. Der Historiker und Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, bezeichnet die Mitglieder der Gesellschaft als „DDR-Nostalgiker“, deren Tätigkeit „ein organisierter Kampf für die Interessen von Stasi- und SED-Kadern“ sei.

Der ehemalige SED-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz und der einstige Leiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes und stellvertretende Minister für Staatssicherheit Werner Großmann sind auf der Netzseite mit Geleitworten vertreten, in denen sie sich wenig überraschend  erfreut über die Gründung des „DDR-Kabinetts“ zeigen.

Weitere Informationen zum DDR-Kabinett (Harkortstraße 26, 44866 Bochum) finden sich im Internet unter:  www.ddr-kabinett-bochum.de

Foto: Ausstellungsstücke im Bochumer DDR-Kabinett: Auch die Grenztruppen werden gewürdigt

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