© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Bundestag fordert Gedenktag an Vertreibung
Gedenkpolitik: Koalitionsfraktionen schlagen 5. August vor
(ms)

Der Bundestag hat die Regierung aufgefordert, die Einrichtung eines deutschlandweiten Gedenktages für die Opfer von Vertreibungen zu prüfen (Kommentar, Seite 2). In einem mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommenen Beschluß wird als Datum der 5. August vorgeschlagen. An diesem Tag wurde 1950 in Stuttgart die Charta der deutschen Heimatvertriebenen beschlossen, in denen die Vertriebenen ihren Verzicht auf Rache und Gewalt verkündeten.

Der Bundestag würdigte die Charta als ein Gründungsdokument der Bundesrepublik und forderte dazu auf, „die Stigmatisierung der Opfer von Flucht und Vertreibung“ zu beenden. Dem Beschluß des Parlamentes ging am vergangenen Donnerstag eine lebhafte Debatte voraus, in deren Verlauf Vertreter von SPD, Linkspartei und Grünen sich vehement gegen eine Würdigung der Charta der Heimatvertriebenen aussprachen. Die Linkspartei-Abgeordnete Lukrezia Jochimsen bezeichnete den Antrag als Geschichtsklitterung. Durch die Wertung der Charta als Gründungsdokument werde das Ansehen des Bundestages beschädigt, da zu den Unterzeichnern des Vertriebenen-Papiers unter anderem auch ehemalige SS-Angehörige gehört hätten. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warf der Koalition vor, die Charta „wie eine Monstranz vor sich herzutragen“ und forderte, „die Ursachen von Vertreibung für jeden Fall zu benennen und korrekt einzuordnen“. Der vertriebenenpolitische Sprecher der Union, Klaus Brähmig (CDU), widersprach dem „diffusen Vorwurf“, durch den Antrag werde versucht, die Deutschen als Opfervolk zu stilisieren. „Es gibt keine solche Geschichtspolitik, und Christdemokraten wie Liberale weisen dies mit aller Entschiedenheit zurück“, sagte Brähmig.

Das polnische Außenministerium kritisierte den Beschluß des Bundestages. „Das Dokument dient nicht der polnisch-deutschen Verständigung“, hieß es in einer Erklärung.

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