© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Eine scharfe Zunge ist verstummt
Konservative Publizistik: Die Kulturzeitschrift „Gegengift“ mußte aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden
Ronald Berthold

Nicht viel deutete auf das bevorstehende Ende hin. Erst vor ein paar Monaten diskutierte Michael Ludwig mit seinen Autoren einige Änderungen am Gegengift. Der Herausgeber nutzte fortan auch die bis dato weißen Umschlagseiten für redaktionelle Texte.

Ludwig war voller Tatendrang, alles schien zu laufen. Anfang Januar erhielten die Abonnenten dann die Rechnungen für das Jahr 2011. Sie waren leicht erhöht. Eine Preisanpassung aber war lange überfällig und angesichts der Qualität des 36 Seiten starken Din-A5-Blättchens auch gerechtfertigt. Drei Euro pro Heft erschienen angemessen.

Hinter der Erhöhung verbarg sich jedoch die finanzielle Not, in die Ludwig mit dem Gegengift geraten war. Das Heft, das immerhin alle 14 Tage erschien, trug sich nie von allein. Der Herausgeber, der die Publikation als Ein-Mann-Unternehmen betrieb, mußte für seine Liebhaberei viele Jahre tief in die Privatschatulle greifen. Nachdem nun aufgrund der Verteuerung auch noch einige Abonnenten kündigten, zog er die Konsequenz. Gegengift erschien am 15. Februar zum letzten Mal. Damit geht eine mit Unterbrechungen fast zwei Jahrzehnte dauernde journalistische Arbeit zu Ende, die Ludwig in der Tradition der Weltbühne verortete – allerdings mit der Zeit immer klarer konservativ ausgerichtet.

Die Essays, Polemiken und Plaudereien, die Ludwig zweimal monatlich – gemischt mit politischen Berichten – veröffentlichte, lasen sich anspruchsvoll und waren eine Bereicherung des Medienspektrums. Es war immer wieder erstaunlich, was der Herausgeber aus dem oberbayerischen Pfaffenhofen mit seinem Mini-Budget auf die Beine stellen konnte. Zu den Autoren gehörten teilweise prominente Journalisten wie Heimo Schwilk und Ulrich Schacht. Sie konnten ihre Sichtweisen in einer Länge veröffentlichen, wie es im heute gängigen Häppchen-Journalismus kaum noch der Fall ist. Auch der Herausgeber selbst brillierte als Essayist und Kurzgeschichten-Erzähler.

Ohne jeden Verlag im Hintergrund mangelte es Ludwig an Mitteln und Personal, über relevante Kampagnen neue Leser zu gewinnen. Als er es dann doch einmal versuchte, hagelte es Ablehnungen. Dem CSU-Organ Bayernkurier war das Gegengift „zu rechts“. Ein Inserat wurde abgelehnt. Das sagt wenig über das liebenswürdige Heftchen, dafür aber eine Menge über die angebliche konservative Partei und das gesellschaftliche Klima in diesem Land. Radikalität konnte dem intellektuellen Blatt nun wirklich nur vorwerfen, wem alle politischen Koordinaten verlorengegangen sind.

Kritik an den Unions-Schwesterparteien darf heutzutage nur von links geäußert werden. Wer CDU und CSU dagegen aus einem christlich-konservativen Welt- und Wertebild heraus attackiert, steht außerhalb des fragwürdig definierten Verfassungsbogens.

Auch wenn das Gegengift über all die Jahre nur eine überschaubare Anzahl an Lesern gefunden hat, so fehlt mit seinem Abgang von der medialen Bühne doch eine sympathische, kluge und manchmal auch scharfe Zunge.

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