© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Haltungsnote
Drahtbürste mit Schamgefühl
Christian Schwiesselmann

Maria Furtwängler scheint vom Leben begünstigt: Sie lebt in glücklicher Ehe mit dem Medienmogul und Milliardär Hubert Burda, hat zwei hübsche Kinder und ermittelt seit 2002 als Tatort-Kommissarin Charlotte Lindholm. Die promovierte Ärztin gehört zu den beliebtesten Schauspielerinnen Deutschlands, obwohl ihr manche Kritiker die Geschmeidigkeit einer Drahtbürste bescheinigen.

Zu allem Überfluß bot ihr die ARD Hauptrollen in „Historienschinken“ an, die zeitgeschichtliche Tabuthemen wie die Vertreibung der Ostdeutschen aufbereiteten („Die Flucht“, 2007). Zuletzt durfte Furtwängler das Leben der Ursula Heye während der „roten“ und „brauen“ Diktatur im ZDF-Zweiteiler „Schicksalsjahre“ (13. und 14. Februar) verkörpern – freilich mit allen politisch-korrekten Fisimatenten aus dem Geschichtslehrbuch: halbpolnischer Vater, Nazibruder, Scheidung auf Druck des Regimes etc. Eine Vergewaltigungsszene durch Rotarmisten blieb der blonden TV-Schönheit natürlich erspart.

Warum die spröde Furtwängler trotz ihrer Verwandtschaft mit dem Stardirigenten des Dritten Reichs erste Wahl für die öffentlich-rechtlichen Aufarbeitungsversuche deutscher Geschichte ist, offenbarte sie jüngst im Frauenmagazin Für Sie: „Ich habe mich als junges Mädchen oft geschämt, Deutsche zu sein. Meine Brüder und ich besuchten die Französische Schule in München und gaben im Ausland oft vor, Franzosen zu sein.“ Auf die Frage, ob das Schamgefühl heute vorbei sei, antwortete sie konditioniert wie ein Schäferhund: „Ich bin glücklich in der Bundesrepublik aufgewachsen zu sein. Man müßte täglich Luftsprünge machen.“

Wenn die Töchter höherer Häuser – übrigens eine Rolle, die ihr liegt – ein derartiges bundesdeutsches Schamgefühl kultivieren, darf man sich über die Lage der Nation nicht wundern.

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