© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Der Fall Guttenberg
Absturz des deutschen Kennedys
Dieter Stein

Nirgendwo wird mehr gelogen als in der Politik. So ist es Volkes Meinung, und der Fall des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg scheint dies plastisch zu bestätigen. Nachdem Anfang voriger Woche der Vorwurf öffentlich wurde, Guttenberg habe sich mit seiner Doktorarbeit eines Plagiats schuldig gemacht, war die Jagd auf den Shooting-Star im Kabinett Merkel eröffnet. Auf eigens im Internet eingerichteten Seiten wies eine wachsende Schar von Hobbyermittlern nach, wie dreist und umfangreich der CSU-Politiker „abgekupfert“ hatte.

Baron zu Guttenberg weckte verschüttete monarchische Sehnsüchte. Adliger Glanz fiel auf das triste Berlin mit seinen wenig parkettsicheren Gestalten, das Ehepaar Guttenberg weckte neben den zahlreichen kinderlosen, unterschiedlichen neuartigen „Lebenspartnerschaften“ huldigenden Führungsfiguren die Sehnsucht nach Ordnung und intakter Familie. Vom „deutschen Kennedy“ war die Rede, den Posten des bayerischen Ministerpräsidenten, gar des Kanzlers schien Guttenberg wie seinen Doktortitel schon so gut wie in der Tasche zu haben. Er wurde so auch zur Projektionsfläche für Konservative. Welche charakterlichen Mängel er alleine beim Umgang mit seinen Untergebenen, zuletzt dem Kommandanten des Segelschulschiffs Gorch Fock, zeigte, entsetzte offenbar fast nur Angehörige der Truppe.

Die andere Seite der Medaille: Welche Politiker hielten sich im Sattel, denen Verfehlungen ganz anderen Kalibers nachgewiesen wurden: Joschka Fischer, der als Mitglied einer linksradikalen Gruppe Polizisten krankenhausreif prügelte. Oder Minister wie Schäuble, Waigel, Bohl, Kinkel, die nachweislich logen, daß die Anerkennung der Enteignungen in der Sowjetzone 1945/49 eine sowjetische Bedingung für die Wiedervereinigung war. Zuletzt die Bundesregierungen der letzten Jahre, die den Deutschen mit der Abschaffung der harten D-Mark versprachen, der Euro bedeute nicht den Einstieg in eine Transferunion. Hier wurde das Volk betrogen mit unübersehbaren Folgen für die Souveränität und wirtschaftliche Stabilität unserer Nation.

Guttenberg täuschte „nur“ die Prüfungskommission seiner Universität. Das Einräumen von Fehlern, die Bitte um Entzug des Titels, ehrliche Reue – sie könnten die Chance einer Rehabilitierung im Auge eines Publikums eröffnen, dem akademische Weihen unwichtig sind und das anerkennt, wenn Politiker menschliche Schwäche zeigen.

Wichtiges gerät dabei aus dem Blick: In Afghanistan sind wieder drei deutsche Soldaten gefallen. Ein Verteidigungsminister, der mit weiteren Enthüllungen, auch über einen möglichen Ghostwriter erpreßt werden kann, ist ein Sicherheitsrisiko, eine „lahme Ente“. Nicht zuletzt im Interesse des Landes sollte er deshalb zurücktreten.

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