© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Kritik am Zölibat
Evangelische Räterepublik?
Wolfgang Ockenfels

Rechtzeitig zum Papstbesuch haben einige CDU-Leute, gefolgt von zahlreichen Theologieprofessoren, mal wieder die Abschaffung des Zölibats gefordert. Warum sollten sie nicht? Weil die CDU nicht die Probleme der Kirche, sondern die des Staates zu lösen hat, und zwar nach Maßgabe des Grundgesetzes. Überdies ist auch für professorale Theologen ein gewisses Maß an Glaubenskompetenz erforderlich, um den Sinn des Zölibats zu erfassen.

Wer den Sinn der „evangelischen Räte“ Jesu nicht fassen kann und sie mit einer basisdemokratischen Räterepublik verwechselt, die von einem Zentralkomitee verwaltet wird, sollte besser schweigen. Vor allem dann, wenn er ein staatliches Amt bekleidet. Die staatlichen Würdenträger sind nicht legitimiert, sich in rein innerkirchliche Belange einzumischen. Sonst riskieren sie einen neuen Kulturkampf. Denn auf eine „Staatskirche BRD“ verzichten wir gerne.

Wir haben weniger einen Mangel an Priestern, sondern vielmehr an Gläubigen. Während seit 1960 die Zahl der praktizierenden Katholiken um drei Viertel geschrumpft ist, hat sich die Zahl der Priester „nur“ halbiert. Das ist schlimm genug, denn wir brauchen Priester auch als Missionare, nicht nur als Spender der Sakramente.

Meines Erachtens würde die Abschaffung des Zölibats das Problem nur verschärfen, wie man bei den protestantischen Pfarrern sieht. Da liegt die Scheidungsquote besonders hoch. Die sexuellen Mißbrauchsfälle, die man einseitig auf die katholische Kirche geschoben hat, mit dem Zölibat, mit einer angeblich „rigorosen“ Sexualmoral in Zusammenhang zu bringen, zeugt von Ignoranz und leider auch von Infamie. Die Kirche war in diesen Fragen eher zu lasch als zu rigoros.

Die einst hohe Reputation deutscher Theologie ist Vergangenheit. Viele der besten Verteidiger des kirchlichen Glaubens findet man heute unter den nichttheologischen Laien. Mit denen kann man sich weit stärker verbunden fühlen als mit verkrachten 68er-Theologen und manchen windelweichen Bischöfen. Das gibt Anlaß, über Nutzen und Nachteil der heutigen Staatstheologie für die Kirche neu nachzudenken. Vielleicht wird es dem Papst in seiner deutschen Heimat gelingen, den Kleinglauben aufzurichten und den Glaubenshorizont zu erweitern.

 

Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels ist Publizist und lehrt christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät in Trier

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