© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Grüße aus Paris
Tunesische Affäre
Alain de Benoist

Der Volksaufstand, der in Tunesien den Präsidenten Ben Ali gestürzt hat, zieht die politische Klasse in Frankreich in Mitleidenschaft: Außenministerin Michèle Alliot-Marie ist ihm zum Opfer gefallen.

In der Folge von Enthüllungsgeschichten in der Presse mußte die Ministerin bekennen, daß sie zwischen den Jahren mit ihren Eltern und ihrem Lebensgefährten und Kabinettskollegen Patrick Ollier einen fünftägigen Urlaub im tunesischen Badeort Tabarka verbrachte. Zu diesem Zeitpunkt waren in Teilen des Landes bereits Unruhen ausgebrochen. Seither ist ans Licht gekommen, daß der tunesische Geschäftsmann Aziz Miled der französischen Ministerin nicht nur mehrmals sein Privatflugzeug zur Verfügung stellte, sondern daß ihm auch der Palast gehört, in dem sie ihren Urlaub verbrachte. Zudem nutzte Alliot-Maries Vater die Gelegenheit, mit Aziz Miled einen Immobilienhandel abzuschließen.

„Die Linke, die am lautesten die Entlassung fordert, sollte sich an die eigene Nase fassen.“

Indes fungierte jener Geschäftsmann, der sein Vermögen in der tunesischen Tourismusbranche machte, zweimal als Wahlkampfleiter des Ex-Präsidenten Ben Ali. Gemeinsam mit Ben Alis Schwiegersohn Slim Chiboub war Aziz Miled auch an einem äußerst lukrativen Bauvorhaben für einen neuen Badeort nördlich der Hauptstadt Tunis beteiligt.

Alliot-Marie hat gegen kein Gesetz verstoßen. Aber zumindest war es ungeschickt – um nicht zu sagen gewissenlos – von ihr, Urlaub in einem Land zu machen, das kurz vor einem Volksaufstand stand, wie sie wissen mußte. Daß sie sich dann auch noch von einem Kumpel ebenjenes Präsidenten aushalten ließ, den Frankreich nach jahrelanger Unterstützung fallenließ wie eine heiße Kartoffel und ihm Exil verweigerte, hat definitiv ein Geschmäckle.

Die Linke, die am lautesten die Entlassung der Außenministerin fordert, sollte sich freilich erst einmal an die eigene Nase fassen. Immerhin gehörte Ben Alis Partei der Sozialistischen Internationale an. Und 2008 verlieh Ben Ali höchstpersönlich Dominique Strauss-Kahn die höchste Auszeichnung, die Tunesien an Zivilisten vergibt. Der derzeitige Generaldirektor des IWF wird als aussichtsreichster sozialistischer Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2012 gehandelt. Anläßlich seiner Ehrung hatte Strauss-Kahn seinerzeit vollmundig verkündet: „Tunesien verfolgt eine gesunde Wirtschafts- und Sozialpolitik, an der sich manch ein Schwellenland ein Beispiel nehmen sollte!“

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