© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Erholung der Weltwirtschaft in Gefahr
Spekulationsobjekt Rohstoff
Michael Wiesberg

Die Rohstoffpreise steigen und steigen: Betroffen ist mittlerweile nicht nur der krisenanfällige Markt für energetische Ressourcen wie Erdöl, der durch die Unruhen in Nordafrika und dem Nahen Osten einen massiven Preisauftrieb erlebt. Auch die Preise für Seltenerdmetalle (JF 3/11), Mais, Weizen, Kaffee oder Baumwolle haben sich seit Anfang 2010 in Schnitt um 160 Prozent verteuert. Eine Entwicklung, die sich auch in der Weltrangliste der größten Konzerne niederschlägt. Unter den „Top Ten“ finden sich heute fünf Konzerne, deren Geschäftsfeld die Gewinnung von Rohstoffen ist. Hier standen bis 2008 große US-Geldhäuser. Inzwischen findet sich etwa die Bank JP Morgan Chase nur noch auf Platz 19 der Rangliste wieder. Das Feld wird von Ölriesen wie ExxonMobil, PetroChina, Petrobras (Brasilien) oder dem europäischen Multi Royal Dutch Shell dominiert.

Der aktuelle Rohstoffe-Hype hat zu einer intensiven Diskussion über die Gründe für den Preisauftrieb geführt. Bleibt es nämlich dabei, besteht die Gefahr, daß die internationale Investitionsbereitschaft einen empfindlichen Dämpfer erhält. Auch die Gefahr von Unruhen aufgrund steigender Lebensmittelpreise insbesondere in Ländern der Dritten Welt, aber auch in Schwellenländern, kann, bleibt die Entwicklung so, nicht ausgeschlossen werden. Nicht ohne Sorge wird überdies die Entwicklung in China beobachtet, denn dem Reich der Mitte wird die Rolle eines globalen Wachstumsmotors zugeschrieben. Kommt dieser Motor ins Stocken, sind erhebliche Negativauswirkungen auf die Finanzmärkte zu erwarten.

Im Hinblick auf die Situation an den Rohstoffmärkten wird ins Feld geführt, daß die Erholung der Weltwirtschaft seit 2010 und die damit verbundene wachsende Nachfrage die Rohstoffpreise nach oben schnellen läßt. Investitionen, die in der Zeit der Finanzkrise unterblieben, würden jetzt nachgeholt; mit dem Effekt, daß sich die Konkurrenzsituation zuspitzt.

Ein anderes Argument hebt auf den ständig steigenden Rohstoffbedarf von Staaten wie China, Indien und Brasilien ab. Schließlich wird – neben Hinweisen auf die Folgen von Dürre- und Flutkatastrophen, die zu entsprechend geringen Ernten geführt und damit die Agrarrohstoffe verknappt haben – gern darauf verwiesen, Rohstoffe hätten sich zu einem Spekulationsobjekt entwickelt.

In diesem Zusammenhang werden von Analysten auch die Folgen der expansiven Geldpolitik von US-Notenbankchef Ben Bernanke diskutiert, die bereits in den Jahren 2007 und 2008 zu einer Rohstoffblase geführt haben – in einer Zeit, die schon durch eine weltweite Rezession gekennzeichnet war. Allerdings steht Bernanke nicht allein; auch andere Notenbanken wie die EZB betreiben eine Politik des billigen Geldes, das nun, wie Daniel Eckert in der Welt treffend anmerkte, „um den Globus jagt“ und „vor allem die Preise für Rohstoffe nach oben jagt“.

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