© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Mit leisen Tönen auf dem Weg zur dritten Fraktion
Sachsen-Anhalt: Die NPD setzt im Wahlkampf um den Einzug in den Landtag von Magdeburg auf junge Kandidaten und tritt betont bürgerlich auf
Felix Krautkrämer

Der Vater nimmt zum Abschied seine Familie noch einmal in den Arm, dann steigt er ins Auto. Traurig winkt ihm die Mutter mit den beiden Kindern nach. Die NPD setzt in ihrem Wahlwerbespot zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt auf ungewohnt leise Töne. Nicht alleine Hartz IV und Zuwanderung werden angeprangert, sondern die Abwanderung und die Probleme der zahlreichen Berufspendler.

„Arbeit und Sicherheit“ sind die zentralen Forderungen, mit denen die NPD hofft, am 20. März den Sprung in den Landtag zu schaffen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Umfragen sehen die Partei derzeit bei fünf Prozent. Der sich in Sachsen-Anhalt betont bürgerlich gebenden NPD ist es unter ihrem Spitzenkandidaten Matthias Heyder bislang gelungen, einen weitgehend skandalfreien Wahlkampf zu führen – anders als beispielsweise zuletzt in Hamburg, wo der selbst intern als radikal geltende Thomas Wulff mit 0,9 Prozent der Stimmen die Hürde für die Wahlkampf-
kostenerstattung verpaßte. Der Übertritt des SPD-Politikers und Bürgermeisters der Gemeinde Krauschwitz, Hans Püschel, sowie der Streit um den Lauchaer Fußballtrainer und Schornsteinfeger Lutz Battke brachten der NPD in Sachsen-Anhalt zudem in den vergangenen Monaten erhebliche mediale Aufmerksamkeit.

Heyder rechnet daher mit einem „deutlichen Überschreiten der Fünfprozenthürde“. Vor allem die Forderung „nach sofortiger Abschiebung straffällig gewordener Ausländer“ oder nach dem „Schutz des deutschen Arbeitsmarktes vor osteuropäischen Billiglöhnern im Zuge der bevorstehenden Arbeitnehmerfreizügigkeit“ kämen gut an, sagte der 38jährige der JUNGEN FREIHEIT.

Das sieht auch Wahlkampfleiter Holger Apfel so, der von einem Wahlergebnis „jenseits der sieben Prozent“ ausgeht: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit rufe bei den Menschen „größte Existenz-ängste durch Verdrängungswettbewerb und Lohndumping“ hervor. Man habe das Thema daher zum Wahlkampfende nochmals mit einem eigenen Flugblatt in einer Auflagenhöhe von 500.000 Stück aufgegriffen. Der NPD standen für den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt laut Apfel etwa 260.000 Euro zur Verfügung.

Daß die Partei im Superwahljahr vor allem auf Sachsen-Anhalt setzt, ist kein Wunder, schließlich hat sie hier neben Mecklenburg-Vorpommern, wo es für die NPD im September um den Wiedereinzug geht, die besten Chancen auf einen Wahlerfolg. Und den hat die Partei zur Zeit auch bitter nötig: Die „Verschmelzung“ mit der DVU brachte bislang nicht den erhofften Mitgliederzuwachs. Zudem trüben Streitigkeiten innerhalb der DVU das Bild des angeblich von beiden Parteien gewünschten Zusammengehens. Hinzu kommt die Wahlpleite in Hamburg. Mit ähnlich schlechten Ergebnissen dürfte Ende März auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu rechnen sein. Hier könnte allerdings ein Einzug in den Landtag von Sachsen-Anhalt eine Woche vorher dafür sorgen, daß die damit verbundene Aufmerksamkeit der Partei wenigstens die für die Wahlkampfkostenerstattung benötigten Prozentpunkte beschert. Mit einer dritten Landtagsfraktion käme die NPD zudem dem von Parteichef Udo Voigt ausgegebenen „Kampf um die Parlamente“ ein Stück näher – ganz zu schweigen von den zusätzlichen Ressourcen für die chronisch klamme Partei.

Indirekt würden auch die Jungen Nationaldemokraten, die Jugendorganisation der Partei, von einem Landtagseinzug profitieren. Deren Bundesvorsitzender Michael Schäfer kandidiert auf Platz drei der Landesliste. Der 28 Jahre alte Politikstudent gilt als Bindeglied zu den radikalen freien Kräften und würde dafür sorgen, daß die NPD auch bei einem Einzug in den Landtag den Kontakt zu diesen nicht verliert.

Mit dem 26 Jahre alten Matthias Gärtner auf Platz zwei und dem 29jährigen Philipp Valenta auf Platz vier finden sich noch zwei weitere Studenten auf den vorderen Listenplätzen. Der sächsische Fraktionschef Holger Apfel sieht in den drei Kandidaten ein „Signal für die zunehmenden Intellektualisierungsbestrebungen“ seiner Partei, die gezielt versuche, Jungwähler anzusprechen. Eine Strategie, die durchaus aufgehen könnte. So ergab eine Umfrage von Infratest dimap unlängst, daß jeder dritte (33 Prozent) junge Wähler (18-24 Jahre) sich vorstellen kann, am Wahltag sein Kreuz bei der NPD zu machen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen