© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Lauter Verlierer
Plagiatsaffäre: Nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg wachsen die Spannungen zwischen CDU und CSU
Paul Rosen

Der „Krieg um Guttenberg“ ist vorbei. Und es gibt fast nur Verlierer. Der Ex-Verteidigungsminister ist erledigt; ob er jemals wieder eine politische Bühne betreten wird, ist ungewiß. Kanzlerin Angela Merkel hat den schwersten Fehler ihrer Amtszeit begangen, als sie ihren Minister, der im Bundestag ungestraft als Lügner und Betrüger bezeichnet wurde, mit dem Hinweis verteidigte, sie habe einen Politiker im Kabinett und keinen Wissenschaftlichen Assistenten. Damit ist die Entwurzelung der CDU von wichtigen Werten wie Anstand und Ehrlichkeit vollendet. Die Partei ist zudem tief gespalten. Allein die CSU scheint besser dazustehen als vorher.

Die CDU hat ein Problem im Verhältnis zwischen der in der Regierung sitzenden Parteiführung und den einfachen Abgeordneten, die schon seit längerem mit der eigenwilligen und einsamen Führung durch Merkel ein Problem haben. Bundestagspräsident Norbert Lammert schließlich gab dem Widerstand gegen Merkel ein Gesicht. Ausgerechnet vor SPD-Abgeordneten soll er Guttenberg als „Sargnagel für die Demokratie“ bezeichnet haben. Dementiert wurde dies nie.

Das Verhältnis zwischen Merkel und Lammert ist zerrüttet und wohl nicht mehr zu kitten. Schon mehrfach hatte sich Lammert vorgewagt und das Verhalten der Regierung bei europäischen Entscheidungen kritisiert, wo der Bundestag trotz eines Verfassungsgerichtsurteils nicht ausreichend beteiligt wird, obwohl es um schicksalhafte Währungsentscheidungen geht. Ob aus dem Dissens zwischen Regierung und Teilen der größten Fraktion mehr wird, eine Parteikrise vielleicht, werden die Ergebnisse der nächsten Landtagswahlen zeigen. In Berlin wird besonders auf Baden-Württemberg geschaut, wo am 27. März gewählt wird. In der gebildeten Wählerschicht dürfte die Guttenbergsche Hochstapelei mit dem Doktortitel nicht gut angekommen sein und zusammen mit Merkels Entgleisung der CDU geschadet haben.

Eigenartigerweise wird der CSU Guttenbergs Demission zumindest kurzfristig mehr nutzen als schaden. Sie ist den Fälscher los, was viele als Wohltat empfinden dürften. Andererseits ist die Frage der Nachfolge auf Horst Seehofer wieder offen. Damit bricht der gesunde Wettbewerb zwischen talentierten Nachwuchspolitikern wieder aus, der durch die öffentliche Quasi-Festlegung auf Guttenberg schon beendet schien. Und junge Talente gibt es genug: Markus Söder, Alexander Dobrindt und Georg Fahrenschon sind nur einige der wichtig werdenden Namen.

Zugleich schaffte es die CSU in den wildesten innenpolitischen Zeiten seit mindestens 20 Jahren, das Verteidigungsministerium loszuwerden. Guttenberg war dabei, die Bundeswehr an die Wand zu fahren (siehe Seite 7). Jetzt muß der bisherige Innenminister Thomas de Maizière das Ressort übernehmen, weil die CSU keinen dafür ministrablen Politiker mehr aufzubieten hatte. Der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist Franke wie Guttenberg, aber gilt als grundanständig mit klaren konservativen Positionen. Sein Lehrmeister war der langjährige Landesgruppenvorsitzende Michael Glos, ein mit allen Wassern gewaschener und volksverbundener Mann. Da Seehofers Einfluß in der CSU schwindet, kann er keinen neuen Chef der Landesgruppe verbindlich empfehlen, sondern muß warten, wer sich letztlich durchsetzt. Die Rede ist von jungen Abgeordneten wie Stefan Müller oder alten Haudegen wie Gerd Müller. Friedrich zeigte in den ersten Tagen seiner Amtszeit mit einer Bemerkung über den Islam, der historisch nicht zu Deutschland gehöre, Absetzbewegungen von Bundespräsident Christian Wulff (siehe unten) – und hat heimatlos umherirrenden Bürgerlichen etwas Orientierung angeboten.

Seehofer schickte seine Truppen derweil gegen die CDU, was in Bayern besonders gut ankommt. Stefan Müller etwa erklärte, die Kritik von Lammert sei „ein Sargnagel für das politische Miteinander unter Parteifreunden“. Ob sich die CSU damit langfristig vom Niedergang der CDU fernhalten kann, ist nicht sicher.

Foto: Merkel, Wulff, Friedrich, de Maizière und Guttenberg (v.l.n.r.) im Schloß Bellevue:  „Sargnagel für das Miteinander unter Parteifreunden“

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