© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Elbstaustufe entzweit Sachsen und Böhmen
Verkehrspolitik: Tschechische Wirtschaft will freie Schiffahrt bis Hamburg / Deutsche für Umweltschutz
Paul Leonhard

Der Umgang mit der Elbe entzweit Sachsen und die benachbarte Tschechei. Konkret geht es um den geplanten Bau einer Staustufe bei Tetschen (Děčín) unweit der deutschen Grenze. Diese neue Anlage zum Aufstauen der Elbe soll ab 2013 entstehen und den tschechischen Binnenschiffern ganzjährig den Direktzugang zum Hamburger Hafen ermöglichen. Noch aber wehrt sich die sächsische Staatsregierung gegen das voraussichtlich 800 Millionen Euro teure Vorhaben, das „nicht zu vernachlässigende Auswirkungen auf die Umwelt in Deutschland“ hätte. Am 28. Februar, dem letzten Tag einer möglichen Stellungnahme, listete Umweltminister Frank Kupfer (CDU) in einem Schreiben an Prag noch einmal detailliert alle Bedenken auf. Diese Sorgen sind dort seit langem bekannt.

2005 hatte der Freistaat bei der EU in Brüssel mit dem Ziel interveniert, die Ausreichung europäischer Fördermittel zu verhindern. Auch in der Tschechei selbst ist das Bauvorhaben umstritten. Das einige Jahre von den tschechischen Grünen geführte Umweltministerium positionierte sich bis zum politischen Führungswechsel in Prag gegen den Elbe-Ausbau. Heute pocht man dort aber wieder auf ein Abkommen von 2006 über den Ausbau der Elbe.

Darin verpflichtete sich Deutschland, ganzjährig eine Fahrwassertiefe von 1,50 bis 1,60 Metern zu garantieren. „Ziel der aktuellen Reparatur- und Unterhaltungsmaßnahmen auf der Elbe ist es, für die Schiffahrt zwischen Geesthacht und Dresden eine durchgängige Fahrrinnentiefe von 1,60 Metern und zwischen Dresden und dem Grenzort Schöna von 1,50 Metern zu gewährleisten“, bestätigt Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).

Ein Ausbau der Elbe war dagegen bereits in der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung von 2004 abgelehnt worden: „Sie ist in ihrem derzeit relativ naturnahen Zustand zu erhalten.“ Lediglich die notwendigen Reparatur- und Unterhaltungsmaßnahmen zur Schiffbarkeit der Bundeswasserstraße Elbe sollten fortgesetzt werden. Auch in Sachsen-Anhalt gelten Staustufen als nicht mehr politisch durchsetzbar.

Ein Niedrigwasserausbau der unteren Mittelelbe zwischen Magdeburg und der Staustufe Geesthacht ist verworfen worden. Die entstehenden Umweltschäden gelten als nicht kompensierbar und das Vorhaben gesamtwirtschaftlich als nicht vermittelbar. Gutachten verweisen auf den Mittellandkanal und den Elbe-Seitenkanal als leistungsfähige Alternativrouten. Empfohlen wird eine Rückstufung der Wasserstraßenklasse.

Ein Ausbau der Elbe oberhalb von Magdeburg gilt als ökonomisch nicht sinnvoll, würde zu erheblichen Beeinträchtigungen in den Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebieten (Richtlinie 92/43/EWG) führen und sei nur mit einer EU-Ausnahmegenehmigung möglich, deren Erteilung aber angesichts des hohen Stellenwertes des Naturschutzes als unwahrscheinlich gilt. Auch hier empfehlen Experten die Beibehaltung des Status quo.

Auch die aktuelle Strategie des Bundesverkehrsministeriums sieht langfristig keine Ausbaumaßnahmen an der Elbe vor. Das Konzept zur Neugliederung der Bundeswasserstraßen sieht „nur noch einen sehr eingeschränkten Erhalt und Ausbau der Flüsse und Kanäle in Deutschland vor“, beklagt beispielsweise der Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt (BDB). Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) räumte ein, daß er nicht einmal die vorhandene Substanz der Wasserstraßeninfrastruktur noch länger finanzieren könne.

Ein Ausbau soll nur noch auf Flüssen stattfinden, auf denen derzeit über zehn Millionen Tonnen Güter jährlich transportiert werden. Ab fünf Millionen Tonnen ist der Erhalt der bestehenden Substanz vorgesehen. Dabei gilt die Schiffahrt als energieeffizienter Transportweg. „Verglichen mit einem 40-Tonnen-Lkw besitzt die Bahn eine dreimal höhere Energieeffizienz. Das Binnenschiff kommt sogar auf eine fünfmal höhere Effizienz“, heißt es in einer Studie des Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL).

Die schlecht ausgebaute und unterhaltene Infrastruktur in der Mitte und im Osten Deutschlands habe es bisher nicht möglich gemacht, prognostizierte Güterverkehrsmengen aufzunehmen, kritisierte BDB-Präsident Gunther Jaegers. Durch die Strategie des Bundesministeriums werde die Binnenschiffahrt von der weiteren Entwicklung abgeschnitten und das politische Ziel, Güterverkehr umweltfreundlich auf das Wasser zu lenken, aufgegeben.

Trotz einer Investition von über drei Milliarden Euro in Wasserstraßenprojekte in den neuen Ländern sei der Güterverkehr auf der Mittel- und Oberelbe ökonomisch bedeutungslos, argumentiert der Dresdner Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn von den Grünen. Die in Tetschen geplante Staustufe wäre für den Güterverkehr nur wirksam, wenn die deutsche Elbestrecke mit zahlreichen Staustufen versehen wird.

CDU-Umweltminister Kupfer listet zudem in seiner ablehnenden Stellungnahme mögliche Gefahren detailliert auf: Erosionen auf dem Elbgrund, Verschlechterung der Wasserqualität, das Zerstören von Lebensräumen von Tieren. Kupfer erinnert daran, daß die Elbe nach EU-Vorgaben bis 2027 einen „guten ökologischen Zustand“ erreicht haben muß und alle Maßnahmen, auch befristete, die zu einer Verschlechterung führen, verboten sind. Tschechische Experten widersprechen. Aus ihrer Sicht steige der ökologische Wert der Elbe durch den Staustufenbau sogar. Überdies könnten ökologisch wertvolle Bereiche geschützt werden, so Gutachter Pavel Dvořák. Da Sachsen kein Vetorecht hat, wird es wohl gegenüber der EU auf drohende Verstöße gegen Naturschutzbestimmungen und europäische Wasserrichtlinie hinweisen.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kündigte Widerstand an. Ob er dafür die Bevölkerung mobilisieren kann, erscheint zweifelhaft. Eine Protestaktion gegen den Bau der Staustufen in Tetschen und die Kanalisierung der Mittel- und Unterelbe am 29. Januar in Dresden zählte lediglich 150 Teilnehmer. Die BUND-Stiftung setzt sich dennoch unverdrossen dafür ein, die etwa 1.100 Kilometer lange Elbe (die auf etwa 600 Kilometern noch ohne Kanalisierung oder Staumauern fließt) als einen der letzten naturnahen Ströme Mitteleuropas zu schützen.

Foto: Die Elbe bei Tetschen: Drohen Erosionen auf dem Elbgrund, eine Verschlechterung der Wasserqualität und zerstörte Lebensräume von Tieren?

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