© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Zeitschriftenkritik: Hintergrund
Hauptsache klare Feindbilder
Christian Vollradt

Opposition ist Mist“, stellte der einstige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering ungeschminkt fest; wer nicht an der Macht ist, hat halt nichts zu melden. Weitergesponnen könnte der Satz in die Schlußfolgerung „Demokratie ist Mist“ münden. So ähnlich lautet jedenfalls die Kernaussage in Thomas Wagners Artikel „Klassenkampf von oben“ in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Hintergrund.

Mit Blick auf zwei Plebiszite jüngeren Datums – das Minarett-Verbot in der Schweiz sowie den Volksentscheid gegen die Schulreform in Hamburg – stellt Wagner fest: „Besorgniserregender als die Ergebnisse dieser zwei Abstimmungen sind die Versuche von Rechtsintellektuellen in Deutschland, die Bewegung für mehr direkte Demokratie zum Vehikel einer umfassenden Veränderung des Systems im reaktionären Sinne zu machen.“ Dahinter steckt, so Wagner, das Interesse des Kapitals, mittels plebiszitärer Elemente die Politik wirtschaftsfreundlicher zu gestalten. So droht „die direkte Demokratie von einem emanzipatorischen Instrument der Bürgerpartizipation in ein Werkzeug für den Klassenkampf von oben“ umgewandelt zu werden, unkt Hintergrund-Redakteur Wagner. Und deshalb darf die Forderung nach Volksabstimmungen „nicht per se als positive Forderung“ angesehen werden. Und wer sind die Bösen? Natürlich die JUNGE FREIHEIT und „prominente Rechtsintellektuelle“ wie Hans-Olaf Henkel oder Hans Herbert von Arnim! Die Schlußfolgerung, daß das Volk vielleicht eine falsche Meinung hat und deswegen besser überhaupt nicht gefragt werden sollte, war wohl zu gewagt.

Neben solchen Verrenkungen bietet Hintergrund vor allem Globalisierungskritisches (Wassermangel und Palmöl-Raubbau), Islamkritik-Kritisches („Inszenierte Terrorwarnung“) und Bahnkritisches (gegen den Schlichterspruch bei „Stuttgart 21“). Im Interview mit dem Kabarettisten Georg Schramm – der mit der Bundeswehruniform – erfährt man, daß er seine Affinität zu Waffen auf der Bühne auslebt und als Offiziersanwärter a.D. und Kriegsdienstverweigerer noch immer große Stücke auf den verstorbenen Ex-General Gert Bastian hält. Unterhaltsam wird es besonders, wenn die Hintergrund-Autoren in die eigenen Reihen zielen und (Ex-)Linke aufs Korn nehmen, die sich entweder anti-utopisch oder (angeblich) zu unkritisch gegenüber Amerika oder Israel positionieren.

Natürlich fühlt man sich als Leser ernstgenommen, wenn der Verfasser eines Artikels seine Informationen belegt; aber Fußnoten gehören in eine Dissertation, nicht unbedingt auf Magazinseiten. Wenn dann auch noch lediglich auf eine Internetseite verwiesen wird, hat das wenig mit crossmedialer Innovation und viel mit Benutzerunfreundlichkeit zu tun.

Bei aller berechtigten Kritik am etablierten und manchmal zu staatstragenden Pressebetrieb: Auch das Magazin Hintergrund kann leider beim Blick hinter die Kulissen nicht immer die erhofften Antworten finden.

Kontakt: Verlag Selbrund GmbH, Bockenheimer Landstraße 17/19, 60325 Frankfurt am Main. Das Einzelheft kostet 5,50 Euro, ein Jahresabonnement für vier Ausgaben 18,80 Euro.  www.hintergrund.de

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