© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Ein Kontinent unter Generalverdacht
Studie: Forscher warnen vor Rechtsextremismus in Europa
Henning Hoffgaard

Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist besorgt. Egal ob in Österreich, Schweden, den Niederlanden, Frankreich, Ungarn, Dänemark oder Belgien: Überall in Europa hätten sich „rechtsextremistische“ Parteien darangemacht, das politische System und die Bevölkerung mit „Vorurteilen und Rassismus“ zu vergiften. Und das Schlimmste, sie seien damit sogar erfolgreich. 70 Jahre danach ist „es“ wieder zurück: das unschöne Gesicht des alten Kontinents.

Unter diesem Eindruck hat die SPD-nahe Stiftung am vergangenen Freitag eine neue Studie vorgestellt, die einen Zustandsbericht über „Intoleranz, Vorurteile und Diskriminierung“ in Europa abliefern soll. Das wichtigste Ergebnis: Die „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ ist weit verbreitet (siehe Grafik). Gerade in osteuropäischen Ländern, aber auch in Deutschland würden Homophobie, Sexismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit auf einen fruchtbaren Nährboden fallen.

Die Autoren, Andreas Zick, Beate Küpper und Andreas Hövermann, kommen zu dem Schluß, daß der Haß auf Minderheiten in Europa wieder mehrheitsfähig ist. Besonders die „Politische Mitte“ sei anfällig für derlei Intoleranz. Anders ließen sich die hohen Zustimmungswerte zu einer Vielzahl von „menschenfeindlichen Aussagen“ nicht erklären. Fast 50 Prozent der Befragten aus acht europäischen Ländern gaben an, es würden zu viele Zuwanderer in ihrem Land leben. Antisemitische Thesen befürworteten in Deutschland 48,9 Prozent, in Polen sogar über 70 Prozent. Als antisemitisch werten die Autoren der Studie dabei auch schon, wenn die Befragten die Aussage „Juden bereichern unsere Kultur“ verneinen. Großes Augenmerk legt die Studie auf die Akzeptanz des Islam. Während es bei antisemitischen Einstellungen ein großes Gefälle zwischen den europäischen Staaten gebe, sei die Ablehnung des Islam europaweit konstant. Knapp die Hälfte stimme islamfeindlichen Äußerungen zu.

Die Studie widmete sich besonders der Verbindung von „Menschenfeindlichkeit“ und politischer Einstellung. Das Ergebnis: Je weiter rechts jemand politisch stehe, desto fremdenfeindlicher und rassistischer sei er. Selbst die extreme Linke sei dagegen noch toleranter als die „politische Mitte“, sagt „Vorurteilsforscher“ Zick. Die Identifikation mit der eigenen Nation korreliere in diesem Zusammenhang mit vermehrten Vorurteilen und Gewalt. Es ist ein dunkles Bild, das die drei Autoren der Universität Bielefeld hier von Europa und seinen Bürgern zeichnen.

Dabei sind die meisten Schlußfolgerungen durchaus nicht so eindeutig, wie die Macher der Studie behaupten. Schon jemand, der sich gegen die Zulassung der „Homo-Ehe“ ausspricht oder Homosexualität für unmoralisch hält, fällt in das Raster der Menschenfeindlichkeit, unabhängig davon, ob er Homosexuelle auch ohne Eheprivilegien toleriert. Ähnlich suggestiv ist die Fragestellung zum Thema „Islamfeindlichkeit“. So wollten die Macher der Studie wissen, ob „die muslimische Kultur gut in die Gesellschaft paßt“, die Muslime zu viele Forderungen stellen oder der Islam allgemein eine intolerante Religion sei. Schon der Zweifel an der Friedfertigkeit des Islams beziehungsweise der Vernunft muslimischer Funktionäre wird auf diese Art zum Symptom „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.

Selbst wer nur die Meinung vertritt, daß die muslimischen Ansichten über Frauen westlichen Werten widersprechen, ist zumindest der „Islamophobie“ verdächtig. Auch der als besonders dramatisch skizzierte „Sexismus“ ist bei genauerer Betrachtung lediglich ein herbeikonstruiertes Phantom. So vertreten die Autoren der Studie die Meinung, die Aussage, Frauen sollten sich mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter konzentrieren (52 Prozent der Deutschen stimmen dem zu), wäre ein Indiz für Frauenfeindlichkeit.

All diese Einwände spielen bei der Vorstellung der Studie keine Rolle. Kritische Stimmen wurden gar nicht erst eingeladen. So sind sich dann alle von Anfang an einig. Der „Kampf gegen Rechts“ müsse verstärkt werden, die Linken sollen sich nicht ihre „Pfründe“ und „Futtertröge“ durch die von der Bundesregierung geforderte Extremismusklausel bei der Vergabe von Fördermitteln nehmen lassen. Zudem müßten die Medien sensibler im Umgang mit Minderheiten werden. Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, machte einen praktischen Vorschlag: Es sei gar nicht nötig, bei Gewaltverbrechen immer die ethnische Herkunft der Täter anzugeben. Nur so könne man Vorurteile bekämpfen.

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