© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Zeitschriftenkritik: Chronicles: A Magazine of American Culture
Tiefsinniges Kulturmagazin
Ronald Gläser

Ein Magazin, das sich Chronicles (Chroniken) nennt, hat einen großen Anspruch. Schließlich sind die „Angelsächsischen Chroniken“ aus dem 16. Jahrhundert das Standardwerk über die englische Frühgeschichte. Ganz so bedeutend ist das in Rockford, Illinois, erscheinende Chonicles nicht, aber es ist immerhin das „härteste, beste und tiefsinnigste Magazin in Amerika“. Das meint zumindest Patrick Buchanan, dem nachgesagt wird, er sei von dem 1976 gegründeten Heft stark beeinflußt worden. Chronicles gehörte auch immer zu den stärksten Unterstützern des Republikaners bei seinen zwei Anläufen als Präsidentschaftsbewerber. Heute noch wird Chronicles von Buchanan vorab mit seinen Kolumnen beliefert.

Das Kulturmagazin wird von einer konservativen Denkfabrik namens Rockford Institut monatlich herausgegeben. Es beweist einmal mehr, daß das Gestalten von Magazinen nicht gerade ein Pfund ist, mit dem die Konservativen in Amerika wuchern können: Textwüsten in Schwarzweiß, aufgelockert nur durch eine Handvoll Autorenfotos. Zu sehen sind alte Männer mit Cowboyhut und Werbung nur für die verlagseigenen Bücher. Da war Criticón optisch schon 1985 weiter. Die Konservativen in Amerika haben eine beeindruckende Medieninfrastruktur: darunter Radiosendungen mit Millionenpublikum und mit Fox News sogar einen erfolgreichen Fernsehsender. Aber bei schriftlichen Medien sind sie reichlich untermotorisiert.

Wer sich dennoch die Mühe macht, in das Heft einzusteigen, bereut es nicht. Dort findet sich manch ein spektakulärer Gedanke, den der Leser anderswo vergeblich suchen wird. Die besondere Note des Monatsmagazins ist seine ablehnende Haltung zur Einwanderung und die Befürwortung des Isolationismus. Damit setzt sich Chronicles von anderen konservativen Publikationen wie National Review ab. Chronicles ist das führende Magazin der „Paläokonservativen“, jener politischen Strömung, die sich von den „Neokonservativen“ abgrenzt.

In der aktuellen Ausgabe wird die Situation in der Eurozone wie eine Familienszene bei den Buddenbrooks geschildert: Teutonius (Deutschland) hat die Ehe mit Marianne (Frankreich) satt. Die alte Tante (England) ist froh, daß sie nicht mit ins neue Haus eingezogen ist. Das Zerbrechen der Familie sei unausweichlich. In der Februar-Ausgabe findet sich ein anderer fundierter Aufsatz, der sich mit den negativen Auswirkungen der imperialistischen Außenpolitik der USA auseinandersetzt. Der Autor, der selbst früher als US-Soldat in Westdeutschland stationiert war, weist anhand von Statistiken einen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von US-amerikanischen Truppen als Schutzmacht und einer sinkenden Geburtenrate nach. Seine Vermutung: Wo amerikanische GIs die Sicherheit garantieren, da erlahmt der Wille der einheimischen Bevölkerung zur selbständigen Landesverteidigung ebenso wie zur Fortpflanzung. Den Leser erwarten solche spektakulären wie erfrischenden Gedanken.

Chronicles: A Magazine of American Culture. 24,99 US-Dollar/Jahr zzgl. 48 US-Dollar bei Versand nach Übersee. www.chroniclesmagazine.org

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