© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Zeit ist Luxus
Glashütte gibt den Takt vor: Deutschlands feinste Adresse für Chronometer und Uhren
Paul Leonhard

Saxonia Automatic heißt ein Männertraum. Er ist mit 18.300 Euro verhältnismäßig billig. Wer die Tourbillon Pour La Mérite will, muß 145.000 Euro überweisen und für die Tourbograph werden 385.000 Euro fällig. Die Rede ist von Spitzenmodellen der Uhrmacherzunft, die alle eines gemeinsam haben: Sie werden in Glashütte hergestellt. Der kleine sächsische Ort im Osterzgebirge ist zum Synonym für Luxusuhren geworden und zum Symbol für den Aufschwung Ost.

Uhren werden in Glashütte bereits seit 1845 gefertigt. Damals war es die königlich-sächsische Regierung, die für den Wirtschaftsaufschwung sorgte. Sie stellte 7.000 Taler Anschubfinanzierung in Aussicht. Der Uhrmachermeister Ferdinand Adolph Lange folgte dem Aufruf und ließ sich im Müglitztal nieder. Aus diesen Anfängen entstand die heute weltberühmte Firma A. Lange & Söhne und eine vielfältige Uhren- und feinmechanische Industrie.

Obwohl diese in der DDR-Zeit im VEB Glashütter Uhrenbetriebe vereinigt wurden und die einzelnen Marken vom Markt verschwanden, gelang 1990 ein Neuanfang. Die Unternehmer Heinz Pfeifer und Alfred Wallner gründeten die inzwischen zur Swatch-Gruppe gehörende Firma Glashütte Original. Seit 1991 gibt es Nomos Glashütte. Schiffschronometer produziert die Nautische Instrumente Mühle, Quarzuhren das Uhrenatelier Bruno Söhnle. Und offenbar wächst die Zahl der Marken noch.

Seit 2006 produziert Hemess Armbanduhren. Im vergangenen Jahr wurde die Benu, die auf hundert Stück limitierte erste Eigenkreation der 2008 gegründeten Firma Grossmann, vorgestellt. In der ehemaligen Sternwarte produziert der Hamburger Luxus-Juwelier Wempe  Uhren. Zudem hat die bei Bremen ansässige Firma Tutima in Glashütte eine Tochter gegründet und will bald neue Modelle präsentieren. Unter dem historischen Markennamen B. Junge & Söhne mischt auch der frühere Inhaber von Glashütte Original, Heinz W. Pfeifer, wieder mit. Die wachsende Vielfalt wird gern gesehen. Jede Firma habe ihren eigenen Anspruch, ihre eigene Philosophie und bewege sich auf ihrem eigenen Preisniveau, versichert Günter Wiegand, Chef von Glashütte Original. Nur eines macht den Uhrmachern im Müglitztal Sorgen: Es finden sich nicht genügend geeignete Lehrlinge.

Auch kleinere Spezialfirmen für die Fertigung von Uhrenteilen haben sich angesiedelt. Denn wer mit dem Namen der Stadt für seine Uhren werben will, muß sich strengen Regeln unterwerfen. Diese schreiben vor, daß mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung in Glashütte erfolgen muß, nur dann dürfen sich diese mit „Glashütte/SA“ schmücken. Nomos schafft sogar bis zu 95 Prozent. Mehr Glashütte geht nicht. Die prestigeträchtigste Marke ist aber weiter A. Lange & Söhne, die inzwischen zum Richemont-Konzern gehört.

Die Wirtschaftswoche setzte die Uhren des Unternehmens 2007 und 2009 auf den ersten Platz unter den wichtigsten deutschen Luxusmarken – vor Maybach und den Uhren des Konkurrenten Glashütte Original. Auch der Genfer Uhrensalon war für Lange ein Erfolg. Fachjournalisten und Händler konnten ihre Blicke von der Tourbillon oder der Saxonia Dual Time kaum wieder lösen. Wer sich Uhren in dieser Preisklasse nicht leisten kann, sollte trotzdem nach Glashütte fahren. Regelmäßig gibt es Führungen durch die Manufakturen, und im Uhrenmuseum kann man über Unruh und Hemmung fachsimpeln oder wertvolle Exponate bestaunen.

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