© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Blick voraus im Zorn
In der visionären Literatur bietet die Zukunft keinen Anlaß für Optimismus
Martin Lichtmesz

Im Februar ist in Frankreich ein beinahe vierzig Jahre altes Buch wie eine Zeitbombe hochgegangen. 1973 beschrieb Jean Raspail in seinem Roman „Das Heerlager der Heiligen“, wie eine Flotte von Hunderttausenden hungerleidenden Indern widerstandslos in ein reiches, aber seelisch entkerntes Europa einfällt.

Die Massen vom Ganges bilden nur die Vorhut eines gewaltigen demographischen Tsunami, der unerbittlich auf Europa zurollt. Aufgestachelt durch die nahende Verstärkung aus der Dritten Welt erheben sich Millionen von farbigen Eingewanderten gegen die Weißen, die bald zu Menschen zweiter Klasse werden und ihren Reichtum und ihre Privilegien abgeben müssen.        

„Rassistische“, „rechtsextreme“, „menschenverachtende“ Panikmache? Was vor kurzem noch als Totschlagargument gezogen hätte, muß heute vor der nun evidenten prophetischen Klarsicht des Romanes verstummen. Noch einmal tritt der 85jährige Romancier Jean Raspail, Patriot und bekennender katholischer Royalist, in die mediale Arena, wegen eines Buches, das eigentlich untypisch ist für sein umfangreiches Werk.

Das „Heerlager der Heiligen“ überzeugt, gerade weil es nicht in primär politischer Absicht geschrieben wurde. Es sind keine trockenen Abhandlungen, sondern Bilder und Geschichten, die eine Lage anschaulich machen, eine Furcht artikulieren, eine Alternative formulieren können. Ohne Emotionen gibt es keine Erkenntnis, die in die Eingeweide vordringt und einen Ansporn zur Tat setzt.

Raspail ist kein Pamphletist, sondern ein meisterhafter Geschichtenerzähler mit einer präzisen Phantasie. Er schildert den Untergang des Abendlandes als schwarze Farce, in der selbst die christliche Heilsgeschichte zur bösen Persiflage verkommen ist. Sein sarkastisches Porträt der westlichen Linken und Liberalen mit ihrer Realitätsverweigerung, ihrem Verrat am eigenen Volk und ihrer vorauseilenden Unterwürfigkeit gegenüber den kommenden Herren, wird inzwischen tagtäglich von der Wirklichkeit übertroffen. Soll man da lachen, weinen, auf die Barrikaden steigen?

Mit Juvenal könnte man auch heute wieder sagen: Es ist schwierig, keine Satire zu schreiben.Wer aber heute Satiren und schwarze Utopien schreiben will, wird das in einer Welt, in der sich das linke Denken durchgesetzt hat, nicht anders als auf konservativem Boden machen können.

In der Tat hatte die dystopische Literatur immer schon einen Drall nach rechts. Klassiker wie Samjatins „Wir“, George Orwells „1984“, Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ oder Anthony Burgess’ „Uhrwerk Orange“ prangerten die Versklavung, totale Kontrolle und letztliche Auslöschung des Individuums unter dem Banner von Kollektivismus, Gleichmacherei, Fortschritt und Machbarkeitswahn an.

Es mag kein Zufall sein, daß diese Literatur, wie Karlheinz Weißmann bemerkte (JF 10/11), allmählich aus dem Literaturkanon der Schulen verschwindet. Indessen gibt es heute wohl keinen realistisch denkenden Menschen, der imstande wäre, der Zukunft mit Optimismus entgegenzublicken. Genaues Hinsehen wird dabei unweigerlich zu politisch unkorrekten Ergebnissen führen.

Wer heutige Trends wie „Gender Mainstreaming“ oder „Gleichstellungs“-Gesetze konsequent zu Ende denkt, landet schnell bei beklemmenden Szenarien. So etwa der junge Berliner Autor Oliver Uschmann, der in seinem Roman „Feindesland“ schildert, wie in naher Zukunft ein „Moralministerium“ seinen Antidiskriminierungsterror ausübt und der Staat seine Bürger zwecks besserer Kontrolle zur Zwangsmitgliedschaft auf einer Art Facebook-Seite verdonnert.  Lars Kraumes Film „Die kommenden Tage“ zeigt Deutschland im Jahre 2020 vor dem Hintergrund von Ressourcenkriegen, Völkerwanderungen und Terrorismus.

An jene wohl fatalste Entwicklung, die man sich inzwischen an fünf Fingern ausrechnen kann, wagen sich indessen nur wenige Außenseiter heran. Gemeint ist natürlich die kombinierte Zeitbombe aus demographischer Entwicklung und der Einwanderung nichtassimilierbarer, besonders muslimischer Massen.

Im Schlußkapitel von „Deutschland schafft sich ab“ versuchte Thilo Sarrazin diese Entwicklung bis ins Jahr 2100 hinein zu skizzieren: Deutschland ist hier endgültig zu einem vorwiegend von Türken und Arabern besiedelten muslimischen Land geworden, dessen Lebensstandard „weit hinter China“ zurückgefallen ist. Sarrazins „Alptraum“ nimmt sich zahm aus gegen den im Jahr 2022 spielenden Roman „Mister“ des in England lebenden Alex Kurtagic.

Die von den Multikulturalisten als „bunte“ Regenbogenparty beworbene multirassische „Vielfalt“ ist hier zum brodelnden sozialdarwinistischen Dschungel mutiert, in dem jeder des anderen Wolf ist. Das Chaos wird nur mehr mühsam durch ein repressives, stetig wachsendes Konvolut von kafkaesken Verordnungen zusammengehalten, die vornehmlich aus gedankenpolizeilichen Maßnahmen und multiplen Besteuerungen bestehen. Ähnliche Szenarien des Zerfalls präsentieren Max Eichenhains „2034 – Der Abschied vom Abendland“ und „Das Reich Artam“ des Genetikers Volkmar Weiss.

Über die Kassandrarufe hinaus wird es allerdings auch einer positiven schöpferischen Phantasie bedürfen, um der Seele jene Nahrung zu geben, die nach Raspail allein „die entscheidenden Kämpfe“ gewinnt. 

„Ja, ich träume von einer Wiedereroberung“, bekannte er gegenüber der Tageszeitung Le Figaro, in der er bereits 2004 schrieb: „Darüber gäbe es einen riskanten Roman zu schreiben. Diese Aufgabe wird nicht mir zufallen, denn ich habe bereits das Meinige beigetragen. Möglicherweise ist sein Autor noch nicht geboren, aber zum richtigen Zeitpunkt wird dieses Buch das Tageslicht erblicken, soviel bin ich mir sicher.“

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