© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Zahlmeister Deutschland
Europäischer Rettungsfonds: Der deutsche Steuerzahler steht mit fast 200 Milliarden Euro in der Kreide – der Bankensektor kann jubilieren
Marco Meng

Die Finanzminister der 17 Euro-Länder haben den Europäischen Rettungsfonds (ESM) nun in ein dauerhaftes Fundament gegossen: Deutschland muß demnach 22 Milliarden Euro an den ESM überweisen und zusätzlich mit bis zu 170 Milliarden Euro für andere, vom Staatsbankrott bedrohte Euro-Länder haften. Ab 2013 weicht der bisherige europäische Rettungsschirm (EFSM) dem Krisenfonds (ESM), der insgesamt ein Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro umfassen soll. Allein die zusätzliche Zinsbelastung für Deutschland beträgt dann bis zu 900 Millionen Euro jährlich; eine Summe, die vor allem die Bankwirtschaft freuen dürfte. Der Krisenfonds wird die Staatsverschuldung weiter anfachen und zum Gegenteil dessen führen, was den Euro stabilisiert: zu einer neuen Schuldenblase.

Die passende Begleitmusik intonierte Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. Die Debatte über Deutschland als Zahlmeister des Euro sei eine ungesunde Debatte und nicht jeder Akt der Solidarität sei eine Transferunion. „Wenn wir in Europa immer nur rechnen, kommen wir nicht weiter. Europa ist mehr als geben und nehmen, Europa heißt auch teilen. Ein Tag Krieg in Europa ist teurer als uns die ganze Euro-Rettungsaktion jemals kosten wird“, dozierte der Vorsitzende Eurogruppe auf der Frankfurter Konferenz der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Ganz bewußt erinnerte er an die Anfänge der Europäischen Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Grund, warum sich gerade das wohlhabende Luxembourg für die Rettung von Schuldenländern stark macht, liegt auf der Hand: im Ländchen (Luxembourg) gibt es eine starke portugiesische Lobby, was bei einem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent nicht verwunderlich ist.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sekundierte, Deutschland sei der große wirtschaftliche und politische Gewinner des Euro. „Das bleiben wir auch, wenn wir den Euro mit dem Rettungsschirm verteidigen und anderen Ländern helfen“, meinte Gabriel, der einen stabilen Euro „im ureigenen Interesse Deutschlands“ sieht. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beschwichtigte. Nach Angaben der Rheinischen Post räumte er zwar eine dadurch notwendige höhere Nettokreditaufnahme der Bundesrepublik ein, betonte jedoch, die Zahlungen würden den Schuldenstand nicht weiter vergrößern, da eine entsprechende Gegensicherung vorhanden sei. Während die Zustimmung im Bundestag als sicher gilt, steht eine endgültige Entscheidung der EU-Regierungschefs noch aus.

Hauptgewinner bei all dem sind die Banken. Die kürzlich von der EU geschaffene European Banking Authority (EBA) hat den neuen Streßtest zur Überprüfung der größten Banken in der EU vorgestellt, die zusammen rund 60 Prozent der Bilanzsumme aller Institute ausmachen.Wie erwartet sind die veröffentlichten Szenarien aber kaum geeignet, wirklich etwas über die Standfestigkeit der Finanzwelt auszusagen. Schon der im vergangenen Jahr koordinierte Test war kläglich an der Realität gescheitert: Die irischen Banken, die den Test als „stabil“ bestanden hatten, mußten nur Monate später den irischen Staat und die EU um Hilfe bitten.

Das Test-Szenario: Das Bruttoinlandprodukt sinkt um 0,4 Prozent, die langfristigen Zinssätze würden um 66 Basispunkte steigen, die Aktienmärkte um 14 Prozente einbrechen. Und abermals werden die Abschreibungen eines Staates nur für das Handelsbuch der Banken, nicht aber für deren Eigenbestand durchgespielt. Die Zahlungsunfähigkeit von Staaten wird ausgeblendet.

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