© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Das Sonnenfeuer auf die Erde holen
Kernfusion könnte die Energieerzeugung revolutionieren – allerdings frühestens in 40 Jahren
Klaus Peter Krause

Die Zukunft der Atomenergie in Deutschland wurde von einem Tsunami paradoxerweise an der japanischen Küste versenkt. Zukunftsträchtig dürfte hierzulande allein die Kernfusion bleiben, an deren Erforschung die Bundesrepublik mit dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching und Greifswald sowie den Forschungszentren Karlsruhe und Jülich beteiligt ist. Es handelt sich dabei um das Großexperiment International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER), gemeinsam betrieben und finanziert von China, EU-Ländern, Indien, Japan, Rußland, Südkorea und den Vereinigten Staaten, ins Werk gesetzt durch deren Forschungskapazitäten.

Das Beispiel für eine Kernfusion bietet die Sonne. Sie ist ein „gewaltiger Kernfusionsreaktor“, in dem riesige Mengen Wasserstoff zu Helium verbrannt werden. Die Forscher arbeiten daran, „das Sonnenfeuer auf die Erde zu holen“; es gleichsam irdisch zu kopieren und den künftigen Energiebedarf der Menschen mit Hilfe dieser irdischen Kopie sicherzustellen.

Der Fusionsreaktor Sonne allerdings verwendet normalen Wasserstoff. Im Aggregatzustand als heißes Plasma wird er dort durch den ungeheuren Druck infolge der Schwerkraft der Sonne zusammengehalten. Anders im Fusionskraftwerk auf der Erde – hier muß die Verschmelzung kontrolliert in einem geschlossenen Behälter ablaufen und das heiße Brennstoffgemisch in einen Magnetfeldkäfig eingeschlossen werden, um es von den Wänden des Vakuumgefäßes fernzuhalten. Doch um die beiden Brennstoffe in diesem „Ofen“ zur Fusion, zur Verschmelzung ihrer Kerne zu bringen, muß die aus ihnen bestehende Plasma-Masse mehr als höllisch erhitzt werden, nämlich auf rund 100 Millionen Grad der Kelvin-Skala.

Um sie auf diese Hitze zu entzünden, verwendet man als „Streichholz“ zum Beispiel elektromagnetische Wellen  und strahlt sie mit einem starken Sender auf das Wasserstoffgas-Brennstoffgemisch ein, wo sie dieses rasch ionisieren und auf hohe Temperaturen aufheizen. Um den Kernfusionsprozeß zu starten, bedarf es eines solchen „Zündungsimpulses“ von nur wenigen Sekunden Dauer mit einer Heizleistung von zehn Megawatt, induziert durch elektrischen Strom. Danach liefert der Fusionsreaktor kontinuierlich 3.000 Megawatt als thermische Leistung und läuft so lange, bis man den Reaktor – zum Beispiel für Wartungsarbeiten – abschaltet.

Nach Auskunft vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching wird das erste Kernfusions-Großkraftwerk, das Strom ins öffentliche Netz liefern kann, frühestens in 40 Jahren fertiggestellt sein – falls alle bis dahin nötigen Experimente und Vorstufen ohne Rückschläge geglückt sind. Zu ihnen gehört die Stellarator-Anlage in Greifswald, bei der bereits vier von fünf Modulen montiert sind. Während der Fertigstellungstermin 2014 hier realisierbar scheint, wurde er bei der Iter-Anlage in Cadarache (Südfrankreich) auf 2019 verschoben. Der Prototyp des Fusionskraftwerkes – abgekürzt DEMO – dürfte nicht vor 2030 oder 2035 errichtet werden.

Der Vorteil der Kernfusion liegt auf der Hand: Ihre Brennstoffe werden aus Wasser und Lithium gewonnen und sind fast überall auf der Welt vorhanden. Gegenüber der Kernspaltung hat die Fusion einen Sicherheitsvorsprung, weil der Prozeß bei Störung selbst abbricht. Außerdem ist der radioaktive Abfall gering.

Max-Planck-Institut für Plasmaphysik www.ipp.mpg.de

Foto: Modell des Kernfusionsreaktors: Ein Querschnitt durch die Brennkammer

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen