© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Mehrfach gesichert
Hintergrundwissen: Deutsche Kernkraftwerke verfügen über vier Schutzbarrieren gegen Havarien
Christian Böhm

Die Sicherheitsmaßnahmen in einem Kernkraftwerk zielen darauf ab, die Freisetzung radioaktiven Materials in die Umwelt zu verhindern. Zeitgemäße Sicherheitskonzepte verfahren nach dem Prinzip der mehrfachen, einander umhüllenden Schutzbarrieren.

Erste Schutzbarriere: Der Kernbrennstoff, angereichertes Uranoxid, wird in Tablettenform (Pellets) produziert. Es behält während des normalen Kraftwerkbetriebs seine kristalline Struktur. Letztere wirkt als erste Schutzbarriere, da sie den Austritt radioaktiven Materials, bis auf die natürliche Strahlung, verhindert.

Zweite Schutzbarriere: Die Pellets werden in eine zirka vier Meter lange Röhre aus einer Zirkonium-Legierung gefüllt. Diese wird versiegelt und bildet dann einen Brennstab. Die Zirkonium-Hülle des Brennstabs verfügt über eine Wandstärke von 0,6 bis 0,8 Millimetern, das Material hat eine Schmelztemperatur von 2200 Grad Celsius. Abhängig vom Einsatzbereich werden einige hundert Brennstäbe zu einem Brennelement gebündelt und diese wiederum entsprechend der geplanten Leistung zu einem Reaktorkern angeordnet.

Dritte Schutzbarriere: Der Reaktorkern wird in einen hermetisch dicht verschlossenen Reaktordruckbehälter eingebaut. Dieser hat gewöhnlich die Form eines Zylinders mit kugelförmigen Kappen und besteht aus Stahl mit einer Wandstärke von zirka 20 Zentimetern. Darin heizt sich der Reaktorkern kontrolliert auf und wird im Falle eines Druckwasserreaktors bei zirka 150 bar ständig mit Wasser gekühlt. Es erwärmt sich, ohne zu sieden, auf 325 Grad Celsius und wird über Pumpen den Systemen zur Stromerzeugung zugeführt. Dabei kühlt es ab und wird wieder in den Druckbehälter gepumpt, wo es erneut erhitzt wird.

Vierte Schutzbarriere: Der Druckbehälter samt der notwendigen Technik wird großräumig von einem Sicherheitsbehälter umgeben. Der Sicherheitsbehälter besitzt bei deutschen Druckwasserreaktoren eine Kugelform mit einem Durchmesser von 30 Metern und mehr. Er besteht aus Feinkorn-Baustahl mit einer Wandstärke von 30 bis 40 Millimetern. Idealerweise ist der Sicherheitsbehälter hermetisch geschlossen, wobei die notwendigen Durchlässe für Rohre und Leitungen in der Praxis zu einer Minderung der Dichtigkeit führen.

Äußere Abschirmung: Die gesamte kerntechnische Anlage ist letztlich von einer stahlarmierten Beton-Abschirmung von über einem Meter Dicke umgeben. Sie ist keine hermetische Barriere, sondern soll gegen Witterungseinflüsse schützen und der äußeren Bedrohung durch einen Flugzeugabsturz oder terroristische Anschläge widerstehen.

Zur Strahlenbelastung in Deutschland siehe http://odlinfo.bfs.de

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